Pfr. Martin Dubberke
Nähe & Distanz | Bild: Martin Dubberke

Nähe & Distanz

Ist mein Arm denn zu kurz, dass er nicht erlösen kann? Oder habe ich keine Kraft, zu erretten.
Jesaja 50,2

Ein Aussätziger kam heran und fiel vor Jesus nieder und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.
Matthäus 8,2

Gott ist sauer auf sein Volk. Jesaja 50 beginnt gewissermaßen mit einer Gardinenpredigt. „Habe ich euch nicht gesagt, dass es so nicht geht? Habe ich euch nicht gezeigt, wie es geht? Habe ich nicht immer und immer wieder gesagt, dass ich für euch da bin? Warum hat mich keiner angesprochen? Warum hat keiner auf mich reagiert? Ist mein Arm denn zu kurz, dass er nicht erlösen kann? Oder habe ich keine Kraft, zu erretten?

Ist das nun eine rhetorische Frage oder stellt sich Gott diese Frage wirklich? Hat Gott etwa Selbstzweifel?

Ich glaube, dass Gott auch uns heute genau die gleichen Fragen stellen könnte, genau die gleiche Gardinenpredigt halten könnte. Und – ganz ehrlich – ich glaube, dass Gottes Volk seiner Zeit auch nicht besser war als wir heute. Sonst hätten sie andere Entscheidungen getroffen, sich nicht in diese oder jene Abhängigkeiten begeben. Sonst wäre Geschichte ganz anders verlaufen.

Wenn wir nach dem 8. Mai 1945 „Nie wieder“ gesagt haben und uns mal anschauen, wie es heute darum bestellt ist, ist es eher ein „immer wieder“ geworden. Wir haben nicht aus der Geschichte gelernt. Und mit der Losung dürfen wir feststellen, dass wir schon viel länger nicht gelernt haben, dass wir lernfaul sind, Gottes Rat und Hilfe in den Wind schlagen und am Ende alles an die Wand fahren werden. Nicht heute, nicht morgen, aber sicherlich irgendwann einmal.

Gottes Gardinenpredigten wie diese gibt es noch mehr in unserer Heiligen Schrift, aber sie waren in der Regel nicht wirklich nachhaltig. Aber Gott hat nie aufgegeben, auch wenn er die Länge seines Armes vielleicht mal in Frage gestellt hat, aber er hat uns nie aufgegeben. Hätte er sonst seinen eigenen Sohn zu uns geschickt? Jesu Leben war ein einziges Vorleben, wie es gehen kann, wie Gott es sich vorstellt, wie auch wir leben könnten. Gut, dass das nicht ganz ungefährlich ist und auch nicht immer bequem, ist die andere Seite der Medaille. Es gibt immer Widerstände, wenn man Menschen aus ihrer Bequemlichkeit aufscheucht. Man kann z.B. von den Heizungsplänen der Regierung halten, was man will, aber sie sind ein Weckruf gegen unsere Bequemlichkeit. Es gibt Länder, die schon seit vielen Jahren den Umbau betreiben, während wir und andere sich bequem eingerichtet hatten und die Warnungen dann immer in den Wind geschlagen haben. Doch mit einem Male wird es im wahrsten Sinne des Wortes brenzlig.

Aber das haben wir auch in vielen anderen Situationen unseres Lebens, dass wir nicht gegen unsere Bequemlichkeit ankommen. Ich denke da auch an Beziehungen. Kürzlich erfuhr ich von einer Frau um die sechzig, dass sie nach mehr als dreißig Jahren ihren Mann verlassen habe, weil er sich nicht mehr bewegt habe, weil er nicht mehr von seinem Sofa runterkam. Nun, lebt sie mit einem deutlich jüngeren Mann zusammen und ist glücklich. Die Konsequenz: Wer sich nicht bewegt, wird sitzengelassen, bleibt zurück.

Und genau davor warnt uns Gott. Sich von Gott an die Hand nehmen zu lassen, auf seine Kraft zu vertrauen, bedeutet, vorwärtszukommen, geheilt zu werden – insbesondere von der eigenen Bequemlichkeit.

Und nichts anderes hat – nebenbei gesagt – der Aussätzige getan, als er vor Jesus niederfiel und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.

Wir kennen die Geschichte – und wer sie nicht kennt, sollte sie mal lesenJesus streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: „Ich will’s tun; sei rein!“ Und der Aussatz war wie weggeblasen.

Mit anderen Worten, wenn wir uns auf Jesus Christus einlassen, dann werden wir geheilt, werden wir heil. Aber, wir lernen noch etwas anderes aus dieser kurzen Geschichte. Wir müssen auch auf Jesus zugehen, und ihn bitten, aktiv zu werden. Sein Arm ist nicht zu kurz, um zu retten. Er ist immer noch ausgestreckt. Wir müssen nur auf ihn zugehen, unsere Distanz zu Gott verringern. Und genau das ist das Problem, dass Gott schon mit seinem Volk zu Jesajas Zeiten hatte: Das Volk ist auf Distanz gegangen.

Also, die Botschaft dieses Tages ist eigentlich ganz einfach: Wir haben eine gute Zukunft, wenn aus der Distanz zu Gott Nähe wird.

Pfarrer Martin Dubberke, Gedanken zu Losung und Lehrtext vom 10. Mai 2023

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