Pfr. Martin Dubberke
Geliebt. Bewahrt. Berufen. - Trinitatis 13 | Bild: Martin Dubberke unter Verwendung von KI

Geliebt. Bewahrt. Berufen.

Liebe Geschwister, heute geht’s um Beziehungsfragen. Wer ist mein Nächster? Wer ist meine Mutter? Wer sind meine Geschwister? Und wer oder was ist eigentlich meine Familie? Das sind alles keine unspannenden Fragen, wenn wir heute in diesem Gottesdienst ein kleines Mädchen taufen.

Alle Texte dieses Sonntags bis hin zum Taufspruch erzählen von Beziehungen. Der Wochenspruch hebt hervor, wie wichtig und bedeutsam Beziehungen im Kleinen und Kleinsten sind. Der Psalm findet wunderbare Bilder für das Wirken gelingender Beziehung zu Gott. Licht und Gerechtigkeit strahlen aus, wenn einer barmherzig lebt. Beziehungen zwischen Menschen und insbesondere zu Gott wirken nach außen. Wir kennen das alle. Sei es im Privaten, Beruflichen oder für alle spürbar im Politischen.

Und der Autor des Ersten Johannesbriefes – der Epistel für heute – hebt hervor, dass die Quelle aller Liebe Gott ist. Es geht also heute auch die Beziehung zu Gott und unter uns. Wie wirkt sich die Beziehung zu Gott auf unser Leben aus? Wo erkennen wir in unserem Leben diese Beziehung und ihr Wirken?

Naja, und dann im Evangelium, der Geschichte vom Barmherzigen Samariter, erleben wir, was ganz praktisch bedeutet, Nächster zu sein. Nächster zu sein, ist eine Beziehung, die im Handeln deutlich wird, die ein Handeln auslöst.

Und der Predigttext aus dem Markus-Evangelium konfrontiert uns mit einem Verständnis von Familie, das gerade für uns Eltern heraufordernd ist, weil Familie sich auch jenseits der sogenannten Blutsbande ereignet.

Jesus sagt, dass Familie dort ist, wo Gottes Willen getan wird. Zur Familie gehört, wer Gottes Willen tut. Nicht Blut, nicht Abstammung, sondern das Tun des Willen Gottes lässt Familie werden. Jesus sprengt unser gewohntes Bild von Familie.

„Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“

Familie ist bei Jesus nicht nur Blutsverwandtschaft – sondern Gemeinschaft im Glauben, Zugehörigkeit im Tun des Willens Gottes.

Auch das ist ein spannender Gedanke an einem Tag wie heute, wo junge Eltern unter uns sitzen, die ihr Kind in diesem Gottesdienst zur Taufe bringen und versprechen werden, genau diesen Willen Gottes zu leben und ihr Kind in diesem Glauben zum Wollen des Willen Gottes zu erziehen.

All das, all dieses göttliche Beziehungsgeschehen bündelt sich heute für alle sichtbar in der Taufe, wenn Eure Tochter in diese große, göttliche Beziehungsgeschichte hineingenommen wird.

Ihr habt Euch diesen Sonntag als Tauftag ausgesucht, weil Eure Tochter vor zwei Tagen ein Jahr alt geworden ist. Ich glaube aber, dass dieser Tag Euch ausgesucht hat.

Und so habt Ihr, liebe Eltern, für Eure Tochter zwei Verse aus dem 91. Psalm ausgesucht:

Denn er hat seinen Engeln befohlen,
dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
dass sie dich auf den Händen tragen
und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

Psalm 91,11-12

Das ist ein großes Versprechen. Und ich glaube daher in der Tat, dass sich dieser Tag nicht nur in eure Lebensplanung eingefügt hat, sondern dass er euch gefunden hat – weil dieser Sonntag mit seinen Texten so klar auf das Wesentliche zuläuft:

Geliebt. Bewahrt. Berufen.

Geliebt

Die Aufnahme Eurer Tochter in Gottes Gemeinde ist Geschenk, das nicht auf Leistung baut, sondern auf reiner Gnade. Im Wasser der Taufe spricht Gott: „Du gehörst zu mir.“ Dieses Wort löst uns von allem Leistungsdruck und bindet Eure Tochter an eine Liebe, die größer ist als alle Prüfungen des Lebens.

Jesus macht uns vor, wie Familie wirklich entsteht: nicht durch Abstammung oder Verwandtschaft, sondern durch bedingungslose Annahme. Wenn Gott Eure Tochter ruft, dann heißt das: Du bist angenommen, schon bevor du etwas leisten kannst. In diesem Ruf hört sie den Klang ihrer wahren Identität als Tochter des himmlischen Vaters.

Für euch als Eltern bedeutet das: Ihr steht in einer Liebe, die eure eigenen Kräfte übersteigt. Gottes Liebe wirkt in euch und durch euch – in jedem liebevollen Blick, in jedem Gebet, in jeder Fürsorge. Wenn es einmal schwerfällt, erinnert euch an eure eigene Taufe, an den Moment, in dem Gott euch die gleiche Zusage geschenkt hat.

Diese göttliche Liebe ist nicht statisch, sondern lebendig und weitergebend. Ihr dürft Eure Tochter begleiten, indem Ihr sie immer wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen führt, ihr von Eurer Hoffnung erzählt und in Eurer Familie von Gottes Treue Zeugnis ablegt. So wächst sie hinein in die Gewissheit: Gottes Liebe trägt sie ein Leben lang.

Bewahrt

Liebe Eltern, Euch ist wichtig, dass Eure Tochter behütet und beschützt aufwachsen und leben kann. Das ist in Zeiten wie den unseren ein guter, frommer, richtiger und wichtiger Wunsch. Damit ein Mensch in dieses Vertrauen hineinwachsen kann, braucht er Menschen um sich, Eltern, Paten, Großeltern viele andere, die ihm dieses Vertrauen vorleben, weil sie selbst aus diesem Vertrauen heraus leben.  Das ist absolut wichtig für jeden Menschen, und für Eure Tochter ganz besonders. Irgendwie scheint über ihr auch so ein Schutzengel zu schweben. Und mein Eindruck ist schon, dass Ihr beide auch an die Existenz Solcher Engel glaubt. Deshalb habt Ihr auch ganz bewusst diesen Taufspruch ausgesucht.

Aber habt Ihr Euch auch einen Kopf darüber gemacht, wie diese Engel aussehen könnten?

Bei Schutzengeln muss ich immer an den alten Werbespot von der Autofirma mit dem Stern denken:

Da sitzen zwei Schutzengel, naja, eher zwei typische Barockputten ganz gemütlich auf einer Wolke, machen ihren Job und unterhalten sich dabei. Fragt der eine den anderen, wen er denn beschützen würde. Der antwortet: „Einen Autofahrer.“ Und natürlich fragt jetzt der andere Engel auch danach, welches Auto der Beschützte denn fahren würde. Antwortet der andere: „Mercedes.“ Da legt der andere Schutzengel seine Harfe auf der Wolke ab, stemmt seine Hände in die Hüf-ten und antwortet aus dem tiefsten Innern heraus mit einer gewissen Empörung: „Du faule Sau!“

Tja, und damit verbunden ist nun die Frage, welche Vorstellung wir von diesen Engeln haben, von denen da im Taufspruch die Rede ist. Sind das solche Engel, in weißen oder goldenen Gewändern mit Flügeln, die um einen herumschwirren?

Sind das die Engel, auf die wir hoffen, wenn wir von den Engeln sprechen? Und vor allem wer sind diese Engel? Sind das unabhängige, gottgleiche oder Gott ersetzende Wesen? Manchmal kann man sich da ja nicht so sicher sein, wenn Menschen von Engeln und Engelerlebnissen oder Engelträumen berichten.

Lasst mich dazu eine kleine Geschichte aus meinem Leben erzählen. Ich denke hier nämlich an einen früheren Kollegen von mir, als ich noch in der Diakonie gearbeitet habe, der sich in einer Arbeitsgruppe, in der es um das die Bedeutung des Christlichen Glaubens in einem diakonischen Unternehmen ging, als Atheist geoutet hatte. Ich wusste, dass der Kollege ursprünglich einen anderen Beruf gelernt hatte und erst spät zur Pflege gekommen war. Und so fragte ich Ihn, wie es dazu gekommen sei, dass er den Beruf gewechselt habe und noch einmal etwas ganz anderes gelernt hätte. Er hatte nämlich ursprünglich ein Handwerk gelernt, von dem er sagte: „Meine Mutter hatte gesagt, dass ich das lernen soll. Und als folgsamer Sohn habe ich dem nicht widersprochen. Aber irgendwann wollte ich einfach was anderes machen und in der Zeit lief mir ein alter Kumpel übern Weg, dem ich das erzählt habe und der sagte: Mensch, mach das doch so wie ich. Geh in die Pflege. Das ist ein toller Job. Mach doch einfach mal’n Praktikum.“

Tja, und der gute Mann machte ein Praktikum und war begeistert von der Dankbarkeit, die ihm entgegengebracht wurde.

Naja, und da fragte ich ihn einfach mal, ob er sich auf ein Experiment einlassen wolle und sich diese Geschichte mal aus einer anderen Perspektive anschauen wolle und fragte Ihn, ob er wüsste, was Engel sind.

„Naja, solche Flügelfiguren, die man sich zu Weihnachten in die Wohnung stellt.“

Und natürlich habe ich ihn gefragt: „Glauben Sie an Engel?“ – „Nee.“

„Naja, ich verrate Ihnen mal, was das Wort Engel bedeutet. Das kommt aus dem Griechischen von angelos, und das heißt Bote. Ein Engel ist ein Bote Gottes, der Menschen einen Kick in eine neue Richtung geben kann. Und nun stellen Sie sich mal vor, dass Ihr Kumpel so ein Engel, so ein Bote Gottes war, der Ihnen genau in dem Augenblick begegnet ist, als Sie nach Orientierung in Ihrem Leben gesucht haben. Und, dann hat Ihnen dieser Engel im Auftrag Gottes einen Stupser in die richtige Richtung gegeben. Sonst würden Sie heute auch nicht bei einem christlichen Arbeitgeber arbeiten.“

Er schaute mich mit ganz großen Augen an und es entstand ein ganz spannendes Gespräch, bei dem alle anderen Gruppenmitglieder so aufmerksam dabei waren, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

Am Ende des Gesprächs sagte er dann: „Man, jetzt schwirrt mir aber ganz schön der Kopf. Da haben sie mir aber ganz schön was zu denken gegeben.“

An dieser Geschichte können wir zweierlei erkennen:

Erstens: Es bringt nichts, wenn Eltern oder andere den Weg ihrer Kinder bestimmen wollen. Am Ende funkt Gott durch seinen Engel dazwischen und korrigiert den Weg. Also, genau das, was Ihr Euch von diesem Taufspruch erhofft. Das ist ja auch ganz praktisch, falls Ihr Euch in Eurem Vorhaben nicht immer so ganz treu bleiben solltet. Gott korrigiert Euch, wenn’s sein muss.

Und es gibt noch eine zweite Erkenntnis: Engel schwirren nicht nur um einen herum, sondern können einem auch ganz schön den Kopf ins Schwirren bringen. Und damit wird deutlich, dass jeder von uns ein Engel sein kann, also ein Beauf-tragter Gottes, der einen anderen Menschen in bestimmten Situationen vor Dummheiten oder Schlimmeren bewahren soll.

Die Engel sind Lebensbegleiter und noch etwas, Sie zeigen einem immer, dass Gott einen unendlich liebt. Und genau mit diesem Job werdet Ihr alle heute durch die Taufe Eurer Tochter beauftragt und nicht nur Ihr, sondern ganz viele andere Menschen, die Eure Tochter in ihrem Leben begegnen werden und von denen wir noch gar nicht wissen, dass es sie gibt oder geben wird.

Ihr gehört zu den Engeln, die Eure Tochter vielleicht auch, wenn Sie es mal nicht verstehen wird, dass Ihr die bewahrenden Engel seid, als Teufel bezeichnen könnte. Wir wissen ja, dass das Verhältnis von Behüteten und Engeln nicht immer einfach sein muss, auch, weil man manchmal – wie in der Geschichte von meinem Kollegen – nicht sofort erkennt, dass es sich um einen Engel handelt.

Berufen

Liebe ist nie Selbstzweck. Sie macht uns frei zum Handeln. Jesus sagt:

„Wer Gottes Willen tut, der ist meine Schwester, mein Bruder, meine Mutter.“

Zugehörigkeit bedeutet zugleich Auftrag.

Auch Eure Tochter wird heute berufen: zum Glauben, zur Liebe, zur Hoffnung. Noch kann sie das nicht selbst leben – aber ihr, die Eltern, Paten, Großeltern, wir als ganze Gemeinde, wir versprechen, sie dabei zu begleiten.

Das bedeutet: ihr vorzuleben, was es heißt, als Christin zu leben. Entscheidungen nicht nur aus dem Bauch zu treffen, sondern aus der Orientierung an Gott. Die Liebe nicht nur zu empfinden, sondern zu tun – so wie es der Samariter tat.

Schluss

So ist Eure Tochter heute hineingenommen in die große Familie Gottes:

Sie ist geliebt – von Anfang an, ohne Bedingungen.

Sie ist und bleibt bewahrt – unter Gottes Schutz und getragen von seinen Engeln.

Sie ist berufen – Gottes Willen zu tun und seine Liebe sichtbar zu machen.

Und genau all das gilt nicht nur für Eure Tochter. Es gilt auch für Euch, liebe Eltern. Und es gilt natürlich auch für uns alle, die wir hier sitzen. Jede und jeder von uns ist in der Taufe hineingenommen in diese dreifache Zusage:

Geliebt. Bewahrt. Berufen.

Lasst uns in diesem Vertrauen leben – und so zu Engeln füreinander werden.

Amen.

Pfr. Martin Dubberke

Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke | Bild: Johannes Dubberke

Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis in der Johanneskirche zu Partenkirchen am 14. September 2025, Perikopenreihe I, Markus 3,31-35 und Psalm 91,11-12

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