Pfr. Martin Dubberke
Passionsnotiz Nr. 37 | Bild: Martin Dubberke

…wie auch wir…

Die Judika-Woche lädt mich auch dazu ein, mir den Umgang von Rechtsbruch und Schuld und damit auch Vergebung anzuschauen. Das liegt ja nahe, oder?

Wie ist es denn so mit meiner christlichen Fehlerkultur? Wie stehe ich denn dazu, wenn es mir mal nicht gelingt, meinen Nächsten zu lieben, sondern zu ärgern, ihm ein böses Wort an den Kopf zu schmeißen oder ihn einfach mal anzuschreien?

Du meinst, das wäre keine wirkliche Sünde? – Na, das liegt doch nun aber wirklich im Auge des Betrachters. Wenn ich mich jetzt in den anderen – also meinen Nächsten – hineinversetze, da wird es dann schon gleich ganz anders aussehen. Der wird mit Sicherheit nicht gut auf mich zu sprechen sein.  So ist es nun einmal.

Wer gibt schon gerne zu, dass er Mist gebaut hat, dass er mal eines der zehn Gebote vergessen hat. Wie jeder andere Mensch, möchte man nicht eines Vergehens, einer Sünde bezichtigt werden. Das haben wir schon bei Adam und Eva sehen können, nachdem sie die Frucht vom Baum der Erkenntnis gekostet hatten. Die Scham war so groß, dass sie versuchten Ihre Nacktheit vor Gott zu verbergen, sich gewissermaßen unsichtbar zu machen suchten.

Machen wir das heute anders? Komm, Du kannst es ruhig zugeben, dass Du es genauso machst.

Siehs’te, mach ich nicht anders. Und dann versuchen wir, uns die Schuld klein zu reden oder noch besser, auf den anderen abzuwälzen, so nach dem Motto: Wenn der das nicht getan hätte, dann hätte ich nicht so reagiert…

Ja, wir neigen dazu, dass es immer die anderen gewesen sind. Aber wenn man es sich genauer anschaut… Ja, dann waren wir es. Und dafür gibt es dann auch wieder Gründe. Die entschuldigen nichts, aber sie weisen uns auf unsere eigenen Schwachstellen hin. Dann haben wir uns in einer Situation mit dem Rücken an der Wand gefühlt, weil uns die Argumente gefehlt haben, weil wir mit der Situation überfordert waren oder ganz einfach, weil wir keinen Bock darauf hatten, uns an die Spielregeln unserer christlichen Nächstenliebe zu halten. Und dann stellt sich wieder mal die Frage, warum wir in der Situation keinen Bock darauf hatten. Und genau das ist der Moment, wo ich mich entweder alleine im Gespräch mit Gott auf die Suche nach den Gründen begeben kann oder, wenn es mir nicht alleine gelingt, dann mit dem Seelsorger meines Vertrauens. Und was wie ein Seelsorgegespräch beginnt, kann in ein Beichtgespräch übergehen, an dessen Ende die Buße, also die Umkehr aus Erkenntnis meines schuldhaften Verhaltens stehen kann.

Zu dieser Umkehr gehört auch, dass ich auf den Menschen zugehe, an dem ich schuldig geworden bin und ihn um Vergebung bitte. Allerdings nicht in der Weise, ihn mit einem Dackelblick anzuschauen und „Tschuldigung“ zu nuscheln, sondern: „Es tut mir leid, ich habe erkannt, dass ich mich Dir gegenüber nicht gut verhalten habe, dich durch mein Verhalten verletzt habe, weil ich… Daher bitte ich Dich um Vergebung.“

Und damit bin ich auf der anderen Seite von Schuld gelandet, der Vergebung. Die gehört nämlich auch dazu. Wir können dem anderen vergeben. Vergebung ist aber kein Selbstläufer, kein Automatismus. Sie fällt mir nicht in den Schoß und sie fällt mir auch nicht immer leicht. Die Vergebung ist eine Herausforderung an meine christliche Nächstenliebe. So, wie derjenige, der mich um Vergebung bittet, über seinen Schatten springen muss, so muss auch ich in der Rolle des Vergebenden zuweilen über meinen Schatten springen. Dann muss aber auch klar sein, dass vergeben vergeben ist und die vergebene Schuld nicht mehr zwischen mir und meinem Nächsten trennend stehen darf. Ich kann sie ihm dann nicht mehr vorhalten. Und genau das ist es, worauf ich hoffe, wenn ich selbst in die Situation gerate, dass ich um Vergebung bitten muss, dass dann das Trennende zwischen uns dauerhaft aus dem Weg geräumt wird und der Triumph der Nächstenliebe gefeiert werden kann.

Jesus hat uns im Vaterunser die richtigen Worte dafür in den Mund gelegt.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Gott macht es an mir vor und welche Chance habe ich dann, es anders zu machen? Vor uns liegt Ostern, das größte Wunder der Gnade und Vergebung. Also, nutze die Gelegenheit, gehe in Dich und überlege, wo Du Schuld auf die geladen hast und noch jemanden um Vergebung bitten solltest. Genauso nutze aber auch die Gelegenheit beim nächsten Kaffee mit Gott, darüber nachzudenken, wem du deine Vergebung noch schuldig geblieben bist.

Passionsnotiz Nr. 37 vom 6. April 2017