Pfr. Martin Dubberke
Impuls zu Losung und Lehrtext am Montag 20230327 | Bild: Martin Dubberke

Dem Himmel so nah

Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm bis an der Welt Enden.
Psalm 48,11

Geht und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
Matthäus 10,7

Ist das noch so, dass der Ruhm Gottes bis an der Welt Enden reicht? Auf wie viel Unkenntnis und Unwissen bin ich schon in meinem Leben gestoßen, wenn es um Gott ging und geht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es mit dem Ruhm Gottes ein wenig so ist, wie mit dem Ruhm von Stummfilmstars. Keiner kennt sie heute mehr. Ihr Ruhm ist vergangen und nur noch wenigen bekannt. Nämlich denen, die sich damit entweder beruflich beschäftigen oder, weil sie leidenschaftliche Cineasten sind. Das ist bei Gott auch so. Da beschäftigen sich doch eigentlich auch nur noch die Liebhaber und die Fachleute mit Gott und seinem Ruhm. Und manchmal denke ich, wie privilegiert ich doch eigentlich bin. Ich habe Theologie studiert und darf mich heute jeden Tag mit meinem Glauben beschäftigen, sich mit ihm auseinandersetzen, über Gott nachdenken. Was für ein Luxus! Aber auch ein Luxus, aus dem eine sehr große Verantwortung erwächst. Und damit meine ich nicht die ganze Verwaltungs- und Managementarbeit, die ich als Pfarramtsführer zu leisten habe, sondern das, was ich auch mit Leidenschaft gerne mache, nämlich mit anderen Menschen über diesen Glauben, der mich so bewegt, ins Gespräch zu kommen und natürlich auch zu predigen. Und damit stehe ich in einer ganz langen Tradition, die noch auf die Aussendung der Jünger durch Jesus zurückgeht, als er zu ihnen sagte:

Geht und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
Matthäus 10,7

Wie nahe ist eigentlich nach rund zweitausend Jahren das Himmelreich? Als ich noch in Berlin lebte, erinnerte ich immer wieder an den Film „Der Himmel über Berlin“, wenn ich z.B. an der Siegessäule vorbeikam, wo Der Engel Damiel auf einem Arm der Goldelse saß. Ein wunderbarer Film, in dem der Himmel irgendwie mitten unter uns war. Doch seitdem ich in Garmisch-Partenkirchen lebe, fühle ich mich dem Himmel auch physisch deutlich näher. Sicherlich liegt das daran, dass ich hier siebenhundert Meter höher als in Berlin lebe. Der Himmel ist hier viel unmittelbarer als in meiner alten Heimat. Und ich habe die Berge, die bis in den Himmel hineinragen und die Wolken sind mit den Händen greifbar. Die Berge um mich herum erfüllen mich mit Demut. Sie sind viel größer und mächtiger als die größten Kathedralen, die von Menschen gebaut wurden, um den Ruhm Gottes fühlbar und erlebbar zu machen. Aber die Berge sind von Gottes Hand gemacht und damit viel unmittelbarer.

Aber ist dieser Himmel auch schon das Himmelreich? – Nein. Ich glaube, dass jetzt niemand eine andere Antwort von mir erwartet hat. Aber dieser Himmel, dem ich hier im Oberland näher bin als anderswo in Deutschland, lässt mich ahnen, wie großartig das Himmelreich sein muss.

Dort muss man den Ruhm Gottes nicht mehr erklären, weil er dort selbstverständlich ist. Hier, wo Himmel, Schöpfung und Mensch aufeinandertreffen und man jeden Tag neu erleben darf, wie großartig sich Gott einmal diese Erde gedacht hat, hier wo man viel unmittelbarer die klimatischen Veränderungen spürt als in so einer Stadt wie meinem alten Berlin, kann ich erahnen, wie einmal das Himmelreich sein wird. Ich glaube, dass es dort so sein wird, wie es sich Gott einmal gedacht und gemacht hat, wo es nicht vom Menschen demoliert, zerstört und aus dem Gleichgewicht gebracht worden ist.

Und wenn jetzt die Nacht über uns kommt und nur noch vereinzelt Lichter auf den Bergen zu sehen sind, wendet sich der Blick wieder der Welt hier unten zu, fokussiert sich auf das, was heute geschehen ist, klingt noch einmal alles nach. Ich denke an die Beerdigung heute Morgen, als wir den Sohn einer fast hundertjährigen Frau zu Grabe getragen haben. Es war eine ruhige, eine stille Trauerfeier mit vier Menschen. Im Alter bleiben immer weniger Menschen um einen herum übrig.

Wie immer wurde ich heute auch mit meiner eigenen Vergänglichkeit konfrontiert. So geht es mir jedes Mal, wenn ich mich auf mein Fahrrad schwinge, meine Talartasche im Fahrradkorb habe und zum Friedhof losradle, mein Rad auf dem Friedhof anschließe und zur Kapelle gehe. Und wenn ich dann hinter den Urnen- oder den Sargträgern gehe und all die Gräber der Menschen sehe, die ich in den vergangenen Jahren beerdigt habe, denke ich daran, dass auch ich irgendwann einmal hier meine letzte Ruhestätte haben werde. Naja, vielleicht nicht hier, weil ich im Alter das Wohnen in Garmisch-Partenkirchen nicht mehr leisten kann. Und dann erwische ich mich bei dem Gedanken, dass ich nicht mehr bräuchte als ein kleines Plätzchen auf der Wiese, wo die Urne mit der Asche meiner vergänglichen Hülle unter einem kleinen runden Stein ruht, auf dem mein Name und meine Lebensdaten stehen. Mehr brauche ich nicht. Ist das vielleicht schon wieder die sprichwörtliche protestantische Bescheidenheit? – Nein, weil ich weiß, dass ich, wenn ich erst einmal im ewigen Leben angekommen bin, keinen Körper mehr aus Fleisch oder Blut brauche. Endlich auch keine Gewichtsprobleme mehr. Ich bin dankbar dafür, dass ich so oft auf dem Friedhof zu tun habe, weil es mich wieder erdet und mir angesichts meiner eigenen Vergänglichkeit deutlich werden lässt, was wirklich wichtig ist und, dass es morgen schon vorbei sein kann. Das lässt mich immer wieder von neuem den Wert meines irdischen Lebens erkennen und damit auch meines Nächsten. Ich glaube, auch das gehört dazu, wenn es um den Ruhm Gottes geht. Wenn ich den Ruhm Gottes erkenne, dann verändert sich auch das Leben, weil der Ruhm Gottes dazu anspornt, sein Leben zum Ruhm Gottes werden zu lassen.

Das ist nicht immer einfach, aber auch nicht unmöglich.

Ich denke an den Wahlkrimi in München, der am Ende so ausging, wie ich es komischerweise vermutet hatte. Ich hatte so ein komisches Gefühl. Es wurde kein neuer Landesbischof gewählt – und auch keine Landesbischöfin. Also alles noch einmal auf Anfang. Wie geht es wohl den vier Kandidatinnen und Kandidaten, die sich Hoffnungen auf dieses wichtige Amt gemacht haben, mit dem man seine Karriere im Amt eines Pfarrers krönen kann, mit dem nicht nur viel Verantwortung verbunden ist, sondern auch viele Möglichkeiten. Mit welchen Gedanken werden die Vier heute Abend ins Bett gehen? Und welches Zeichen ist damit verbunden, dass es mit dieser Wahl nicht geklappt hat? Es ist  schließlich nicht auszuschließen, dass der liebe Gott es nicht nur so spannend hat werden lassen, damit die Aufmerksamkeit für dieses Amt steigt, sondern auch jemand ganz anderes für dieses Amt im Blick hat, jemanden, an den bislang noch niemand gedacht hat oder jemanden, der sich dem Amt bisher verweigert hat und nun doch seinen Hut in den Ring werfen muss. Aber das weiß nur Gott allein.

Und damit bin ich für heute Abend wieder bei meiner Frage angekommen: Wie nahe ist das Himmelreich?

Ich weiß es nicht. Da haben ja schon viele bedeutende Theologinnen und Theologen drüber nachgedacht und kilometerweise Papier beschrieben. Ich glaube, dass man aber manchmal die Nähe des Himmelreiches spüren kann. Und das sind die Momente, in denen man nicht anders kann, als Gott zu rühmen und dankbar zu sein.

Pfarrer Martin Dubberke, Gedanken zu Losung & Lehrtext vom 27. März 2023

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