Pfr. Martin Dubberke
Impuls zu Losung und Lehrtext am Mittwoch 20230322 | Bild: Martin Dubberke

Das Schaf in mir

Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken.
Hesekiel 34,16

Wenn der Hirte heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.
Lukas 15,6

Heute geht es um Schafe und Hirten. Das Verlorene zu suchen, das Verirrte zurückzubringen, das Verwundete zu verbinden und das Schwache zu stärken.

Da gehen mir so viele Bilder und auch Fragen durch den Kopf. Zuerst einmal wird mir aber wieder bewusst, dass wir selbst ja diese Herde sind und Gott unser Hirte. Das bedeutet ja, dass alle Völker, alle Menschen dieser Erde seine Herde sind. Jeder einzelne von uns ist ein Schaf in dieser großen Herde. Jeder einzelne Mensch ist ein Schaf, das auch gerne mal ausschert, seine eigenen Wege ausprobiert, sich von seinem Nachbarschaf genervt fühlt oder einfach mal eine andere Weide sehen will, ein anderes Gras probieren möchte. Das ist ja alles ok, und nicht verboten. Wir können uns ausprobieren, weil wir die Sicherheit haben, dass es den einen Hirten gibt, der uns im Blick hat und uns sucht, wenn wir uns verloren haben.

Wobei man auch ehrlich gestehen darf, dass man sich auch finden lassen muss. Wie groß kann das Versteckspiel mit Gott sein? Da gibt es ja Menschen, die hasengleich ihre Haken schlagen.

Und auf der anderen Seite stellt sich mir aber auch noch einmal aus einer anderen Perspektive die Frage nach dem Verlorenen. Ein Schaf, das verloren gegangen ist, hat die Verbindung zu Gott verloren. Auch ganze Teile einer Herde können ihre Verbindung zu Gott verloren haben und irren dann orientierungslos durch die Landschaft, weil sie nicht mehr den Weg zurückfinden. Ja, manchmal hat man sich selbst so verzettelt, dass man sich verloren hat. Schafe, die die Verbindung zu Gott verloren haben, wandeln damit auch nicht mehr auf seinen Wegen. Sie laufen dann Gefahr von Wölfen gejagt und gefressen zu werden. Sie laufen Gefahr, abzustürzen, zu verhungern und zu verdursten, weil sie auf dem steinigen Weg kein Gras mehr finden und kein Wassern – oder sie laufen Gefahr selbst zur Gefahr zu werden.

So kann es mir auch in meinem Beruf gehen. Ich kann mich hier ja auch vollkommen verrannt haben. Wie dankbar bin ich dann, wenn mir jemand einen Stups gibt und sagt: „Schau mal, hast Du schon einmal auf diesen Aspekt geachtet?“ Und ich dann ein Aha-Erlebnis habe. So macht es Gott mit seinen verlorenen und verirrten Schafen auch. Aber, wie schon gesagt, ich muss offen dafür sein, gefunden zu werden. Sonst ist das alles nichts.

Naja, und dann schaue ich natürlich auch in die Nachrichten und die allgemeine Weltlage und sehe auch dort Parallelen. Ist nicht gerade die ganze Welt wie verirrt? Gibt es nicht Regierungen, die jeglichen Anstand verloren haben, denen der Kompass verloren gegangen ist, deren Regierungshandeln nur noch Tote und Verwundete hervorbringt?

Auch sie wollen nicht gefunden werden, weil sie starrsinnig sind, machtgeil und machtversessen, weil sie selbst wie ein Gott sein wollen, allmächtig. Aber eigentlich sind sie auf die böse Seite des Lebens gefallen, was das Finden lassen noch viel schwieriger macht.

Wir erleben auf der anderen Seite aber auch, dass das Schwache gestärkt wird, auch wenn es da unterschiedliche Auffassungen gibt, wie man stärkt. Aber es wird deutlich, dass dieses Stärken, dem eigenen Schutz dient. Und auch das macht deutlich, wie sehr wir uns verirrt haben, weil wir die Verbindung zu Gott verloren haben, weil wir glauben, ihn nicht zu brauchen.

Doch wenn dann furchtbare Dinge in unserer Nachbarschaft geschehen und die Kirchen Gottesdienste feiern, um das Geschehene irgendwie verarbeiten zu können, Helfenden und Betroffenen Stärkung zu vermitteln, sind all die regierenden Menschen, die ihren Amtseid ohne die Formel „So wahr mir Gott helfe“ geleistet haben, dabei. Es geht nicht ohne Gott. Das ist die Botschaft. Es geht nicht ohne Gott, der das Verwundete verbindet und das Schwache stärkt.

Und so, wie ich mich selbst als einzelnes Schaf Gottes freue und neuen Mut schöpfe, weil mich Gott in meinem Leben begleitet, ich mich auf ihn einlasse, mich mit meinem Leben ihm anvertraue und er mir immer und immer wieder in dunklen Situationen meines Lebens, wenn ich nicht aufgepasst habe, mich verrannt habe, eigenwillig oder unbedacht war, immer wieder auf Kurs gebracht hat, so können es auch alle anderen Schafe seiner Herde erfahren, die verloren sind, sich verrannt oder verletzt haben. Es gibt immer einen Ausweg. Das ist meine große Hoffnung. Es gibt immer einen Ausweg, den ich mit und vor allem durch Gott finden kann, wenn ich mich auf ihn einlasse, ihm vertraue.

Und wir dürfen noch etwas an diesem Tag lernen. Auch wenn wir sicherlich manchmal froh darüber sind, wenn ein Schaf verloren gegangen ist, weil wir es nicht ausstehen können, weil es uns auf die Nerven geht, weil es bedrohlich ist, dass sich Gott darüber freut, wenn er es wiedergefunden hat und erneut in seine Herde integriert und ihm eine neue Chance gibt. So sollten wir auch einem solchen Schaf in unserer Runde eine neue Chance geben, denn wir wissen nicht, ob wir nicht das nächste Schaf sind, dass durchdreht und sich verrennt.

Naja, und was die Regierenden betrifft, so sind da schon zuweilen schlechte und gefährliche Mietlinge unterwegs. Aber das ist dann eine andere Hirtengeschichte, die man im Johannesevangelium 10,11-21 findet.

Pfarrer Martin Dubberke, Gedanken zu Losung & Lehrtext vom 22. März 2023

Pfarrer Martin Dubberke
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