Pfr. Martin Dubberke

Wider die Selbstverständlichkeit

Na, haben Sie heute schon gemeckert? Hat Ihnen heute etwas nicht gefallen? Passt Ihnen vielleicht das Wetter nicht oder, dass noch die Teetasse von gestern auf dem Tisch Ihrer Kollegin steht?

Ich persönlich glaube ja – lieber Gott, nimm es mir bitte nicht übel – , dass wir Menschen mit einem Konstruktionsfehler geschaffen wurden: Wir meckern so gerne. Und es macht uns auch noch Spaß und wir haben einen enormen Lustgewinn dabei. Meckern ist ja zudem auch ungemein gemeinschaftsstiftend, weil es gemeinsam noch mehr Spaß macht und der eine den anderen so richtig dabei befruchten kann.

Meckern macht aber Falten, weil man dabei ja immer auch einen etwas gemeinen Gesichtsausdruck bekommt.

Es gibt ja da den wundervollen Ausspruch: „Wo bleibt denn das Positive, Herr Kästner?“

Wo bleibt das Positive? Ich meine, wenn man in einem Projekt eine Stärken-Schwächen-Analyse macht, fällt es einem immer leichter, die Schwächen zu benennen. Und häufig ist im ersten Anlauf die Liste mit den Schwächen länger als die Liste mit den Stärken.

Warum fällt es oft so leicht das Schlechte, das Haar in der Suppe zu sehen und nicht das Schöne, wofür man dankbar sein kann?

Vielleicht, weil wir das Schöne und Gute als normal hin- oder mitnehmen, als etwas, das selbstverständlich ist? Doch was ist die Folge davon, wenn wir etwas als selbstverständlich hinnehmen? So etwas wie unsere eigene Gesundheit oder die Unversehrtheit unserer Kinder, dass wir einen Arbeitsplatz haben, unser täglich Brot verdienen können, dass wir eine schöne Wohnung haben, in Frieden und angenehmen Wohlstand leben, dass wir Ehepartner haben, die uns lieben und, die wir lieben, Eltern haben, die uns so vieles auf den Weg gegeben haben, Freunde, die uns nicht alleine lassen, die Ruhe, die wir manchmal am Ende eines Tages finden, dass wir heute wieder aufgewacht sind und hier sitzen. Es gibt so vieles, wofür wir danken können.

Wir tun es aber viel zu selten, weil wir gerne glauben, dass wir selbst unser Glückes Schmied sind, weil wir hart dafür arbeiten, dass es uns gut geht. Aber schon mal daran gedacht, dass es jemanden gibt, der hinter uns steht, der uns begleitet, der uns nicht allein lässt, wenn wir unser Leben führen, wenn wir arbeiten, wenn wir Familie sind? Wie viele Momente hat es schon in unserem Leben gegeben, wo wir unbemerkt von ihm getragen worden sind?

Vor dem Hintergrund, bin ich sehr dankbar, dass die Herrnhuter Brüder für heute einen Vers aus Psalm 51 gezogen haben:

Herr, tu meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige. Psalm 51,17

Er erinnert mich daran, dass auch ich zu vieles in meinem Leben als selbstverständlich hinnehme. Und was passiert, wenn man etwas als zu selbstverständlich hinnimmt? – Genau: Man schätzt es gering, statt wert.

All das steckt schon im ersten Teil des Verses drin: „Herr, tu meine Lippen auf!“ Der Beter bittet Gott, dass er ihm seinen Mund öffne. Möge Gott auch Ihre und meine Lippen auftun, dass wir mit unseren Mündern seinen Ruhm verkündigen. Lassen Sie sich von der Losung einladen, heute in Ihrer Mittagspause oder bevor Sie ins Bett gehen, einfach mal alles aufzuschreiben, wofür sie Gott rühmen könnten. Ich fürchte, das wird eine lange Liste.

In diesem Sinne: Amen.

 

Wochenandacht im LAFIM am 7. Januar 2015