Pfr. Martin Dubberke

Was sollen wir tun?

Sonntag für Sonntag, Feiertag für Feiertag kommt Ihr in den Gottesdienst, habt miteinander Gemeinschaft im Singen, Bete, Hören der Botschaft und der Predigt. 

Aber, liebe Gemeinde, was heißt das eigentlich „Predigt“ bzw. „predigen“? Schaue ich mir die lateinische Bedeutung von „praedicatio“ oder „praedico“ an, dann heißt es:

  • Bekanntmachung
  • Lobpreisung
  • Laut erklären
  • Ankündigen
  • Vorhersagen
  • Prophezeien
  • Einschärfen

Soll Predigt also den Lobpreis bei Euch einschärfen? Ist Predigt Prophetie? Bin ich als Prediger dann ein Prophet?

Das Wörterbuch des Christentums (S. 993) erklärt Predigt wie folgt:

„Wie in der Predigtarbeit des Pfarrers Person und Beruf, Frömmigkeit und Bildung, persönliche Betroffenheit und rhetorische Kunstfertigkeit in Einklang gebracht werden, so wird auch in der homiletischen Wahrnehmung der Zuhörer die Einheit von religiöser Welt- und Selbsterkenntnis, von Frömmigkeit und christlicher Lebensführung hergestellt.“

Die Predigt soll also einerseits Christus als den Auferstandenen, Erhöhten und den Heiligen Geist Empfangenen bekannt machen und lobpreisen. Andererseits soll Predigt mit ihren prophetischen Anteilen auch auf die christliche Lebensführung einwirken, indem sie auf die Möglichkeiten des Glaubens und die Konsequenzen inkonsequenter christlicher Lebensführung hinweist.

Predigten sollen also keine sogenannten Sonntagsreden sein: Schön aber ohne Konsequenz, – Lippenbekenntnis aber kein Tatbekenntnis.

Aber warum erzähle ich Euch das? So, wie ich Euch kenne, wisst Ihr das doch.

Ich erzähle es Euch, weil ich heute über das Predigen predigen muß. Ja, ja, das ist schon eine vertrackte Situation, wenn ein Prediger über das Predigen muß, was er das Sonntag für Sonntag oder doch zumindest einmal im Monat macht.

Das bedeutet für mich, mich selbst ein wenig auf den Prüfstand zu stellen. Das bedeutet aber auch für Euch, Euch selbst ein wenig auf den Prüfstand zu stellen. – Warum?

Na, weil zur Predigt immer zwei gehören. Der eine, der predigt und die anderen, die zuhören. Was machen denn die, die da Sonntag für Sonntag in den Gottesdienst kommen und zuhören mit der Predigt? Wie geht Ihr mit meiner Predigt um? Was bewirkt sie bei Euch?

Ehrlicherweise muß ich gestehen, dass ich es nicht so recht weiß. Manchmal sagt jemand, dass es gut war. Manchmal sagt jemand auch, dass er Schwierigkeiten hatte mich akustisch zu verstehen, weil ich mal wieder zu leise gesprochen habe. Aber ich weiß am Ende nicht, was die Predigt bewirkt, was ihr mit ihr macht, wenn ihr nach dem Gottesdienst diesen Raum verlasst.

Selten fragt Ihr nach dem Gottesdienst, wenn wir noch gemeinsam einen Kaffee trinken, nach. Wir gehen immer ganz schnell zur Tagesordnung über… Neuigkeiten aus der Gemeinde. Wie es wem geht. Auch das ist wichtig, wenn wir füreinander sorgen wollen.

Versteht mich nicht falsch. Ich möchte keine Kritik üben, aber ich möchte wissen, was Predigt für Euch bedeutet, was sie bei Euch auslöst, wie Ihr mit ihr umgeht? Nehmt Ihr das, was unsereins Euch erzählt, fraglos hin? Wirkt Predigt bei Euch eine Veränderung der Lebensführung?

Ich kann Euch sagen, was die Arbeit an einer Predigt bei mir bewirkt. Sie schärft meinen Blick für das, was um mich herum geschieht und wie ich handele. Immer wieder entdecke ich aufs Neue, Abgründe und Chancen. Immer wieder entdecke ich Abwege – sogenannte Zugeständnisse an sogenannte Sachzwänge – bei mir selbst, was dazu führt, dass ich mich bemühe ihnen in Zukunft anders zu begegnen, mehr Bewusstsein zu entwickeln und nicht immer der Versuchung des vermeintlich einfach unvermeidbaren zu erliegen. Das macht Menschen nicht unbedingt einfacher oder beliebter, weil sie natürlich auch aus ihrem Glauben heraus sagen, wo in Gesellschaft und Kirche gleiches Not tut. Insoweit hat Predigt wirklich etwas mit Prophetie zu tun, weil wir die Konsequenzen Gottvergessenen Handelns kennen und damit ansagen können.

Aber lasst uns nun endlich den Blick auf den Predigttext wenden:

Apostelgeschichte 2, 22-23.32-33.36-39

22 Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wißt –

23 diesen Mann, der [a] durch Gottes Ratschluß und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht.

32 Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen.

33 Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und empfangen hat den verheißenen heiligen Geist vom Vater, [a] hat er diesen ausgegossen, wie ihr hier seht und hört.

36 So wisse nun das ganze Haus Israel gewiß, daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat. [a]

37 Als sie aber das hörten, ging’s ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, [a] was sollen wir tun?

38 Petrus sprach zu ihnen: [a] Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes.

39 Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. [a]

Habt Ihr mitbekommen, der Text besteht aus vier Teilen. Ich könnte auch sagen: Schritten:

  1. Die Pfingstpredigt des Petrus,
  2. die Wirkung der Predigt bei der Gemeinde,
  3. die Reaktion der Gemeinde auf die Predigt
  4. der Gemeinde Antwort geben.

An diesem Pfingsttext lässt sich also wunderbar verdeutlichen, was Predigen und der Predigt zuhören bedeutet. Und wenn Ihr konsequent der Botschaft des Textes folgt, könntet Ihr in Zukunft uns Prediger und Predigerinnen manchmal ganz schön in Not bringen. Wie? – Das verrate ich Euch ein wenig später.

Schauen wir uns den ersten Schritt an. Petrus erzählt der Gemeinde von Jesus. Er erinnert an die Taten, die Wunder und Zeichen. Petrus verkündigt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der von den Menschen ans Kreuz geschlagen und von Gott auferweckt wurde und nun zur Rechten Gottes sitzt, den Heiligen Geist empfangen hat und diesen über uns ausgegossen hat. Petrus bekennt vor der Gemeinde seinen Glauben, legt Zeugnis ab. Predigen bedeutet also auch, seinen christlichen Glauben öffentlich zu bekennen, Zeugnis abzulegen.

Und die Wirkung? Die Predigt ging den Menschen zu Herzen. Petrus war in seiner Predigt echt, authentisch, glaubhaft, überzeugend, vom Heiligen Geist ergriffen, also begeistert. Die Predigt brachte die Gemeinde in Bewegung. Sie erkannten, dass eine solche Botschaft Konsequenzen haben müsse. Sie konnten nicht einfach gehen und sagen: „Das war toll.“ „Das hat mich beeindruckt.“ Oder wie viele Jugendliche heute sagen, wenn sie von etwas begeistert sind: „Echt krass.“ Sie wussten, aber noch nicht, welche Gestalt sie dieser Konsequenz geben konnten. Die Gemeinde wusste nur, dass sie etwas tun müssten, dass sie von heute an nicht mehr so weitermachen könnten wie bisher.

Also fragten sie: Was sollen wir tun? Predigt soll also bei der Gemeinde die Frage auslösen: Was sollen wir tun?

Das ist die Stelle, an der Prediger und Gemeinde miteinander ins Gespräch kommen. Predigt ist also nicht nur Zuhören, sondern wesentlich auch Fragen. Gut, meine Aufgabe als Prediger ist es auch, im Rahmen meiner Vorbereitung sich Gedanken über mögliche Fragen der Gemeinde zu machen und mich auf diese vorzubereiten und diese auch in der Predigt zu berücksichtigen. Ich brauche also ein waches Ohr und Auge und vor allem Herz.

Wie also reagiert Petrus auf die Frage der Gemeinde? Er gibt eine klare Antwort: Tut Buße!

Und das ist die eigentliche Aufgabe der Predigt. Sie soll die Menschen zur Buße einladen. Aber was bedeutet Buße? Umkehr, Kurskorrektur. Buße ist das Erkennen, nicht nach dem Glauben gehandelt zu haben. Die Frage, ob bewusst oder unbewusst ist erst die zweite Frage. Habe ich so gehandelt, weil ich es nicht anders gewusst habe? Habe ich so gehandelt, obwohl ich es anders gewusst habe? Buße ist damit auch das Erkennen der Motivation, des Beweggrunds meines Handelns. Und weil ich meine Motivation oder Unkenntnis erkannt habe, kann ich meine Lebensführung neu ausrichten.

Predigt soll das Glaubensgewissen schärfen.

Und Predigt hat noch einen weiteren Auftrag. Sie soll daran erinnern, sie soll einschärfen, verheißen, dass dem Busse tun die Vergebung der Sünden folgt. Wer Busse tut, wird die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Dies galt nicht nur zu Petrus Zeiten, sondern gilt noch heute und wird auch immer gelten. Denn Petrus sagt?

„Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.“

Ach so, ich habe Euch ja noch etwas versprochen. Die Sache, wie Ihr uns Prediger manchmal in Not bringen könnt. Fragt uns einfach nach einer Predigt: Was sollen wir tun?

Amen.

Was sollen wir tun?

Gottesdienst am Pfingstmontag 2002

20. Mai 2002

Silas-Kirche

Predigttext: Apostelgeschichte 2, 22-23.32-33.36-39