Pfr. Martin Dubberke

Was macht mir heute Mut?

Als ich ein Kind war, hatte ich große Angst, sehr große Angst, alleine in den dunklen Keller zu gehen. Dazu muss man wissen, dass ich in einem Haus in Berlin aufwachsen bin, dessen Kellergänge insgesamt sechs Häuser unterirdisch miteinander verbinden. Das war schon ganz schön unheimlich. Besonders wenn jemand in einem anderen Teil des Kellers das Licht ausmachte. Dann war es im ganzen Keller dunkel. Und wenn man richtig großes Pech hatte, wurde man dann auch noch eingeschlossen. Damals war ich noch nicht so bibelfest. Also,  habe ich das getan, was Kinder so tun, wenn sie Angst haben: Ich habe vor mir her gesungen, gepfiffen oder einfach mit mir selbst gesprochen und mir so ein wenig selbst Mut gemacht.

Jeder von uns hat in seinem Leben so einen Keller, vor dem er Angst hat. Und jeder dieser Keller hat andere Gänge, andere Gefahren, andere Geschichten. Und da stellt sich die Frage:

Was macht mir heute Mut?

Was macht uns heute Mut?

Was macht Ihnen heute Mut?

Was uns auf alle Fälle Mut machen kann, ist ein Psalmwort, das hier im Haus eine gewisse Tradition hat. Schon am 10. Geburtstag wurde darüber gepredigt. Und so will auch ich es heute am 15. Geburtstag tun:

Der HERR ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der HERR ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?

Psalm 27, 1

Den Vers tief ins Herz geschrieben, muss ich im dunklen Keller nicht mehr pfeifen.

Der HERR ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?

Mit Gott an meiner Seite gibt es ein Licht im Dunkel, das mir hilft, mich zu orientieren, auch, wenn jemand mal das Licht im Keller ausschaltet. Ich weiß ihn an meiner Seite und mich an seiner Hand. Ich bin in den dunklen Situationen meines Lebens nie allein.

Der Herr ist mein Heil. – Ich bin nicht unverwundbar. Aber, ich weiß durch die Propheten, durch Jesus, die Apostel und Paulus, worauf ich in meinem Leben zu achten habe.

Ich weiß, um das Doppelgebot der Liebe:

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Matthäus 22, 37-39

Was soll ich da noch sagen? Gott hat uns den Schlüssel zum Frieden und zur Sicherheit in dieser Welt in die Hand gegeben. Wir müssen ihn nur nutzen und gleichzeitig aber auch mit der Schwierigkeit umgehen, dass Gott uns auch die Freiheit gegeben hat, diesen Schlüssel nicht zu nutzen. Den Schlüssel zu nutzen ist aber unsere dankbare Antwort auf seine Gnade.

Die Herausforderung, den anderen zu lieben wie sich selbst, ist – glaube ich – die größte Herausforderung in unserem  Leben, weil um den anderen zu lieben, müssen wir auch immer unsere eigene Angst – vor dem dunklen Keller – überwinden.

Jede Begegnung mit einem anderen Menschen, der ja auch, wie ich selbst, ein Geschöpf Gottes ist, löst in einem anderen etwas aus. Im besten Fall ist es Liebe auf den ersten Blick. Im schlimmsten Fall aber Angst. Und genau in diesem Moment, erinnert mich das Doppelgebot daran, dass der andere ebenso wie ich oder desselbigen gleichen ein Geschöpf Gottes ist, das von ihm so geliebt wird, wie auch ich von Gott geliebt werde.

Der HERR ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der HERR ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?

Kraft ist etwas Wunderbares. Ich kann sie mir im Sportstudio antrainieren und kann andere Menschen mit meinem gestählten Körper beeindrucken, ja sogar Respekt auslösen.

Aber diese Kraft ist hier nicht gemeint. Weil es nicht um die Kraft eines jungen Menschen oder die nachlassende Kraft eines alternden Menschen geht. Es ist nicht die körperliche Kraft gemeint, sondern meines Lebens Kraft. Das ist ein elementarer Unterschied.

Was gibt meinem Leben Kraft? Natürlich, der HERR. Kraft bedeutet Möglichkeiten, Fähigkeiten zu eröffnen. Der HERR gibt meinem Leben Möglichkeiten, die ich ohne ihn nicht hätte. Mit Gott im Rücken, kann ich mich darauf einlassen, zu lieben, weil seine Liebe meinem Leben Kraft gibt. Mit Gott im Rücken, kann ich mich auch auf neue Lebenssituationen einlassen, weil ich ihn in an meiner Seite weiß. Er gibt mir die Kraft, wo manchmal meine Verzagtheit Überhand gewinnen möchte.

Dass der HERR meines Lebens Kraft ist, bedeutet auch, dass ich in dieser Kraft ruhen kann. Und in dieser Kraft zu ruhen, hat Besonnenheit zur Folge. Und Besonnenheit ist eine besondere Kraft und Fähigkeit, die mich vor vorschnellen Entscheidungen und Urteilen, um nicht zu sagen, Vorurteilen, bewahren kann.

Wenn der Herr meines Lebens Kraft ist, heißt es auch, dass ich Lösungen in seinem Sinne finden kann und deshalb gibt es keinen Grund zum Grauen.

Der HERR ist mein Licht und mein Heil;
vor wem sollte ich mich fürchten?
Der HERR ist meines Lebens Kraft;
vor wem sollte mir grauen?

Amen.

Sommerandacht im Evangelischen Seniorenzentrum Wilhelmsdorf über Psalm 27, 1 am 29. Juli 2016