Pfr. Martin Dubberke

Versuchung Liebe

Was ist eine Versuchung? Wodurch werden wir versucht? Also, ich werde täglich versucht durch Süßwaren. Lakritze und insbesondere Salzlakritz ist mir immer eine Sünde wert. Ich werde auch versucht durch den Duft von gutem Essen, den Duft von Bäckereien, den Duft von Imbissbuden. All das kann eine Versuchung für mich sein. Ich werde aber auch durch Musik und Literatur versucht. Manchmal versucht mich auch meine Lust zum Ausruhen, meine Lust mal nichts zu tun, meine Lust einfach mal meine Gedanken segeln gehen zu lassen.

Wie ist das mit Ihnen? Was versucht sie?

Wodurch werden wir heute versucht? Was ist eine Versuchung? Denken wir heute überhaupt noch in solchen Kategorien wie „Versuchung“? Das Wort Versuchung hat heute doch nahezu ausschließlich nur noch etwas mit leiblicher Versuchung zu tun. Es kommt immer wieder und vor allem beim Thema Essen zur Sprache. Ach ja, Versuchung scheint immer auch eine erotische Note anzuhaften. Würden wir sonst die Versuchung so reizvoll finden? Versuchung hat immer etwas mit Verbotenem zu tun. Genau darin liegt ihr Reiz.

Versuchung ist immer das Angebot zum Verlassen des richtigen Wegs. Das Sein des Menschen auf der Erde begann kurz nach der Schöpfung schon mit der Versuchung. Ich erinnere nur an den so genannten Baum der Erkenntnis, die Schlange, die ganze Geschichte mit der Eva. Die Versuchung ist dem Menschen gewissermaßen in die Wiege gelegt worden. Es kann mir keiner sagen, dass er noch nie in seinem Leben versucht worden ist. Das wäre eine glatte Lüge.

Die Versuchung ist die Prüfung unseres Gehorsams Gottes gegenüber. Die Frage nach der Versuchung ist damit die Frage nach unserem Gehorsam gegenüber Gott.

Und was ist der Gradmesser des Gehorsams? – Das Doppelgebot: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Und ich glaube hier unterliegen wir alle der gleichen Versuchung. Ich glaube, wir lieben manchmal den anderen mehr, als uns selbst. Uns selbst stellen wir zuweilen in so genannter protestantischer Bescheidenheit gerne in den Hintergrund. Doch was bedeutet es, wenn ich mich nicht genug liebe? Was bedeutet es, wenn ich der Versuchung erliege, einen Job und anderes stärker in den Vordergrund zu stellen als mich selbst? Wenn Nächstenliebe und Eigenliebe nicht mehr in Balance zueinander sind? Was nütze ich den anderen, wenn ich mich selbst aus dem Blick verliere und dabei zu Grunde gehe? Niemandem ist damit geholfen. Ich glaube, die Versuchung, sich selbst nicht so ernst, so wichtig zu nehmen, ist eine große Versuchung, die uns in eine unheimliche Gefahr bringt. Was ist damit gewonnen wenn wir uns nicht genug lieben? Was ist damit gewonnen, wenn wir ausgebrannt sind? Was ist damit gewonnen, wenn uns nachher die Kraft für die Liebe des anderen fehlt, weil wir uns selbst nicht genug geliebt haben?

Wie schön und tröstend ist da doch geniale Lehrtext für heute. Er stammt aus dem ersten Korintherbrief:

«Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr’s ertragen könnt.»
1.Korinther 10,13

Ist das nicht fürsorglich? Jede Versuchung, die Gott auf uns zukommen lässt, ist im Grunde genommen eine Versuchung, die wir meistern können. Er versucht uns nur milde. Er versucht uns erträglich. Aber die Versuchung muss sein, weil die Versuchung uns darin versichern kann, dass wir noch auf dem richtigen Weg sind. Amen.