Pfr. Martin Dubberke
Mein Vater und ich | Bild: Martin Dubberke

Vater

Liebe Geschwister, in den vergangenen Wochen und Monaten habe ich immer wieder Gespräche gehabt, in denen mir Menschen gestanden haben, dass sie nicht beten könnten, dass sie damit die allergrößten Schwierigkeiten hätten. Und gleichzeitig sagten sie, dass sie an Gott glauben und diesen Glauben mit leichtem Herzen bekennen, weil sie wissen, dass es Gott gibt, aber das mit dem Beten würde ihnen nicht gelingen. Im Gottesdienst würden sie alle Gebete mitbeten, aber sich ins Stille Kämmerlein zu setzen und anfangen zu beten, das ginge nicht.

Und gleichzeitig bin ich immer wieder mit anderen Menschen in unserer Gemeinde im Gespräch, die mir erzählen, wie leidenschaftlich sie beten und das Gott sie auch immer wieder erhört.

Es ist Sonntag Rogate, der Bet-Sonntag, der Sonntag, dessen Name ein Imperativ ist: Rogate! Betet! Also, die beste Gelegenheit sich mit dieser Frage zu beschäftigen.

Wie steht es um unser Beten? Wer von uns betet und wer betet mit oder nach?

Wie geht das eigentlich mit dem Beten?

Lukas erzählt das sehr schön:

Und es begab sich, dass Jesus an einem Ort war und betete. Als er aufgehört hatte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte. Lukas 11, 1

Jesus schien mit einer gewissen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit zu beten, die seinen Jüngern nicht zu eigen war. Allem Anschein wusste der Jünger nicht, wie das mit dem Beten so funktioniert. Oder aber, und das glaube ich eher, dass Jesus eine so ganz andere Art zu beten hatte, als es üblich war. Und es wird noch etwas deutlich, Jesus scheint das Beten nicht gelehrt, sondern vielleicht vorausgesetzt zu haben, sonst hätte der Jünger nicht gesagt:

wie auch Johannes seine Jünger lehrte.

Und Jesus antwortet auf eine sehr einfache Art und Weise:

Wenn ihr betet, so sprecht: Vater!

Mit einem Wort ist die Beziehung geklärt. Gott ist wie ein Vater. Gott ist Vater. Ich kann mit ihm reden, wie mit einem Vater.

Und genau das ist wichtig. Gott, den ich nicht sehen kann, ist aber wie ein Vater um mich.

Und es ist noch etwas wichtig. Gott ist kein Wunschomat. Das war ja das Problem des Volkes Israel, als es auf dem Weg durch die Wüste ins Gelobte Land war. Sie wollten einen Gott zum Anfassen, einen Gott, dem man opfert. Einen sichtbaren Gott und so gossen sie ein Kalb. Und ich glaube, dass das gleiche Problem auch noch heute existiert, die Schwierigkeit, mit jemanden zu sprechen, den ich nicht sehen kann.

Aber genau das ist der entscheidende Moment, denn neben Sehen, Fühlen, Riechen, Hören, Schmecken, Tasten gibt es aus meiner Sicht noch einen weiteren Sinn, um etwas erfassen zu können: den Glauben.

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war. Jedenfalls konnte ich schon lesen und hatte im Religionsunterricht von Gott und von Jesus gehört. Damals ging ich durch eine ziemlich dunkle Phase, es war so eine unbestimmte Angst, die in meinem Leben alles verdunkelte, wattierte. Meine Schwester, die acht Jahre älter als ich ist, war damals schon konfirmiert und sie hatte aus dem Konfirmandenunterricht so ein grünes Buch, das den Titel „Glaube und Verstehen“ trug. In diesem Buch fanden sich lauter Gebete, und die habe ich auf dem Boden knieend rauf und runter gebetet. Und zwei oder drei Tage später – ich weiß das gar nicht mehr so genau – wachte ich morgens auf, und alles Dunkle und Wattige war weg und kam nie wieder. In dem Moment war mir klar, dass es diesen Gott, von dem mein Religionslehrer erzählte, wirklich gibt und er wirklich helfen kann, dass Beten eine tolle Sache ist.

Und das Spannende daran ist, dass mir niemand Beten beigebracht hat, es war gewissermaßen die Not, die mich beten gelehrt hat. Aber an dieser Stelle fällt mir noch etwas ein: Unser Religionslehrer in der Grundschule hat mit uns in jeder Unterrichtsstunde immer gebetet. Wir wurden immer einen Moment still und dann sprach er ein kurzes Gebet. Im Studium, in der Pfarramtsausbildung wurde uns nicht beigebracht, wie man betet.

Meine Erfahrung mit dem Beten ist, dass es eine Beziehungsfrage ist. Ich spreche mit jemandem, mit dem ich in einer sehr engen Beziehung stehe, eben wie mit dem eigenen Vater. Ja, ich weiß, auch die Beziehung zum Vater kann manchmal gestört sein, aber auch dann hilft in aller Regel wieder miteinander reden, also beten.

Und ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass das, was Jesus sagt stimmt:

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Lukas 11,9-10

Bleibt aber immer noch die Frage offen, wer uns beten lehrt. Da hatten es die Jünger um Jesus herum vielleicht doch ein wenig leichter als wir heute. Aber Jesus hat uns mit dem Vaterunser natürlich eine Grundlage für das Beten gegeben. Nun ist das Vaterunser bei Lukas ein wenig kürzer, aber dafür sehr prägnant:

Vater!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Gib uns unser täglich Brot Tag für Tag
und vergib uns unsre Sünden;
denn auch wir vergeben jedem,
der an uns schuldig wird.
Und führe uns nicht in Versuchung.
Lukas 11,2-4

Dieses Gebet ist schon fast wie ein kleines Glaubensbekenntnis. Denn ich bringe mit diesem Gebet zum Ausdruck, dass es SEIN Reich gibt, dass mein Leben in SEINER Hand liegt, weil das, was ich zum Leben brauche von IHM kommt wie das tägliche Brot. Und ich bekenne mich dazu, dass ich selbst nicht frei von Fehlern bin, nicht perfekt, sondern auch Sünden begehe, egal, ob bewusst oder unbewusst und die Vergebung durch Gott, wieder die Gemeinschaft mit Gott schafft. Und weil das so ist, kann ich auch demjenigen vergeben, der mir gegenüber schuldig geworden ist. Das ist nicht immer einfach, aber eine Grundvoraussetzung, um wieder eine Gemeinschaft zu sein, um nicht gegeneinander zu leben, sondern miteinander, um den Willen Gottes nach Frieden auf Erden zu erfüllen. Ich glaube, dass Ihr alle wisst, was ich an dieser Stelle auch damit meine.

Und die Bitte, einen nicht in Versuchung zu führen, macht deutlich, dass ich fehlbar bin, dass in jeder Ecke unseres Lebens ein Goldenes Kalb auf uns wartet.

In diesem Gebet, das uns Jesus gelehrt hat, geht es um Dankbarkeit, die meine eigene Fehlbarkeit, das Erleben von Gnade und Führung durch Gott.

Es geht in diesem Gebet auch wesentlich darum, sich auf Gott einzulassen. Und ich glaube, dass genau das, manchmal das größte Hindernis ist, einfach zu beten, dass uns manchmal die Worte zu fehlen scheinen. Und ich glaube, dass wir manchmal einfach zu schüchtern sind, uns nicht trauen, Gott so anzusprechen, wie wir sind, wie uns der Schnabel gewachsen ist.

Zum Beten gehört aber auch Geduld. Ohne diese Geduld würde ich nicht heute hier vor Euch stehen, Euer Pfarrer sein und zu Euch über das Beten predigen. Beten ist ein Prozess, ein Weg, auf den man sich begibt, einen Weg der Zuversicht.

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.
Psalm 66,20

Amen.

Pfr. Martin Dubberke, Predigt am Sonntag Rogate, 22. Mai 2022, über Lukas 11, 1-13, Perikopenreihe IV, in der Johanneskirche zu Partenkirchen

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

 

 

 

 

 

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