Pfr. Martin Dubberke

Taufe der Buße

Liebe Geschwister, der Predigttext beginnt mit den Worten:

Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden..

Johannes der Täufer spricht und predigt mit Nachdruck. Er meint, was er spricht. Er will aufrütteln und zur Umkehr bewegen.
Was aber ist Umkehr?

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Menschen „Umkehr“ ganz falsch verstehen, dass sie meinen, mit Umkehr sei der Weg zurück zu den ach so tollen alten Zeiten gemeint. Für manche ist das zuweilen der saubere und ordentliche Stechschritt, für andere das Völkische – welch ein grässliches Wort, das doch schon als ausgestorben galt. Für manchen ist es die Umkehr zu den sogenannten guten alten Werten.

Ach, die Umkehr zum Früher, das besser war, das eigentlich auch nicht besser war als das Früher, von dem meine Eltern sprechen oder meine Großeltern erzählt haben. Auch mein Früher war nicht besser. Wer am vergangenen Sonntag in meinem Gottesdienst war, kann sich vielleicht noch daran erinnern, wie ich mich auf eine fast zwanzig Jahre alte Predigt von mir bezogen habe, die deutlich macht, dass da nichts besser war. Damals, im Advent 2002, standen wir kurz vor dem Ausbruch eines Krieges. Nein, Umkehr heißt nicht zurück zum früher war’s besser, sondern zum Ursprung.

Das ist mir in dieser Woche so deutlich geworden, als ich mit meinem Taufschüler, einem Konvertiten aus dem Iran zusammen die ersten 35 Verse der Bibel gelesen habe. Im Vers 31 der Genesis heißt es nämlich:

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.

Wenn ich das heute als Messlatte anlege, wird mir schwindelig. Umkehr ist angesagt. Ich werfe nur ein paar Stichworte in die Luft, die für sich sprechen: Greta, Grüner Gockel, Klimapäckchen, die aktuelle Klimakonferenz in Madrid.
Wir haben uns nicht nur Lichtjahre von dem „sehr gut“ entfernt, sondern entfernen uns von Tag zu Tag mehr davon. Umkehr tut not. Umkehr ist angesagt.
Umkehr bedeutet, für jede Entscheidung, die ich treffe, die Frage zu stellen, ob es Gottes Willen und Wollen entspricht, ob es seinen Geboten entspricht, seinen Geboten, die notwendig wurden, weil wir alles aus dem Gleichgewicht der ersten 35 Verse gebracht haben.

Wenn ich es recht betrachte, sind diese ersten 35 Verse der Bibel eigentlich die wichtigsten. Alles andere wurde notwendig, weil der Mensch den Zustand des SEHR GUTEN nicht aushalten konnte. Mit anderen Worten, die Bibel ist der krasse Beweis dafür, dass früher nichts besser war.

Und dann ist mir noch etwas aufgefallen: In den ersten 35 Versen ist nicht von Glaube die Rede, sondern die 35 Verse stellen 16 die Tatsache, den Fakt dar, dass die Erde planvoll von Gott geschaffen wurde und das eine auf das andere aufbaut. Nach jedem Schöpfungstag heißt es „Und Gott sah, dass es gut war.“ Es war erst sehr gut, als Gott das Projekt Schöpfung abgeschlossen hatte.
So, und dann begegnete in diesen 35 Versen Gott den Menschen persönlich und erkläre Ihnen, wie alles miteinander zusammenhängt und funktioniert:

Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben- Und es geschah so. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.

Die Schöpfung durch Gott steht damit für eine ganzheitliche Sicht. Und dass das die einzig mögliche Sicht ist, das machen uns heute unsere Forscher auf der Zugspitze deutlich und auch die Jugendlichen, die hier in Garmisch-Partenkirchen und überall auf der Welt quasi mit dem Umkehrruf des Johannes auf die Straßen gehen.

Und noch etwas machen die 35 Verse vom Anfang aller Anfänge deutlich, dass der Zustand der Schöpfung nicht den Glauben voraussetzt, sondern das Handeln nach der ganzheitlichen Schöpfungslogik Gottes. Und genau das ist es, was Johannes mit seinem Hinweis auf Abraham meint:

Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Wir selbst müssen handeln und umkehren. Es reicht nicht, sich auf Größen der Vergangenheit zu beziehen, sondern in der Tat aufzubrechen und umzukehren. Das macht auch in der gleichen Vehemenz eines Johannes eine Greta Thunberg deutlich.

Nicht umsonst zitiert Johannes der Täufer hier den Propheten Jesaja. Der Prophet, der deutlich macht, dass ein ganzes Volk umkehren muss, nicht ein halbes, sondern ein Ganzes. Und bei Jona sehen wir, was passiert, wenn ein ganzes Volk umkehrt: Es wird errettet.

Uns hingegen geht es so gut, dass wir Menschen in Deutschland und auch anderswo in dieser Welt, uns kaum noch an der Geschichte Gottes mit den Menschen orientieren. Dafür gäbe und gibt uns die Adventszeit und Weihnachten die einmalige Gelegenheit. Doch stattdessen orientieren sich immer mehr Menschen an dem Extrem, dass die anderen an allem schuld seien, die, die nicht von hier sind, dem der reich ist, dem der eine andere Religion hat oder einer sogenannten Rasse angehört. Die ersten 35 Verse der Bibel machen deutlich, dass das keine Rolle spielt, sondern jede und jeder einzelne von uns, die Menschheit als Ganzes gefordert ist.

Gott hat den Menschen geschaffen und damit war alles für Gott sehr gut. Wie kommen wir darauf, dass es anders besser sein kann?

Der Mensch als solcher ist das Problem!

Und genau deshalb findet Johannes der Täufer so heftige Worte:

Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Jeder Mensch ist so ein Baum.

Und Johannes sagt noch etwas. Er sagt, dass genug für alle da ist. Also genau das, was Gott schon in den besagten 35 Versen aus der Genesis sagt:

Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun? Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso.

Das kennen wir auch vom St. Martin, der rund 300 Jahre nach Johannes dem Täufer gelebt hat: Es ist genug für alle da. Hier klingt deutlich die Kritik an denen durch, die sich auf Kosten anderer bereichern.

Und genau das ist die Frage, wenn es um den Reichtum geht. Sind reiche Menschen ganz pauschal gesehen schlechte Menschen? Nein, nur wer seinen Reichtum auf Kosten anderer erworben hat und erwirbt. Und auf Kosten anderer ist auch der vernichtende Umgang mit dem größten Geschenk, das uns Gott gemacht hat: Seiner Schöpfung, wenn man die Schöpfung ausbluten lässt, um sich selbst zu bereichern, wenn man Raubbau mit ihr treibt. Das ist eine sehr differenzierte Sicht auf das Thema Reichtum, die heute von manchem Politiker und auch so mancher Politikerin populistisch als gesamtgesellschaftliche Verantwortung getarnt über den Haufen geworfen wird, und damit übersehen wird, wozu uns die ersten 35 Verse der Bibel auffordern.

Die sagen nämlich, dass es ein natürliches Gleichgewicht gibt, das von Gott mitgeschaffen wurde. Allerdings wurde dieses Gleichgewicht von den Menschen, den Menschen in ihrem grenzenlosen Egoismus aus der Balance gebracht. Das macht deutlich, mit welcher macht die Menschen Gott gegenüber auftreten, mit der Macht, Gottes Werk zu zerstören.

Macht uns das etwa mächtiger als Gott?

Macht das Gott zu einem Schwächling?

Nein, Gott hat dem Menschen die Verantwortung für seine Schöpfung in die Hand gegeben. Nicht Gott ist schuld, wir an unserem eigenen Gift, unseren Kriegen zugrunde gehen, sondern einzig und allein der Mensch, der nicht kapieren will, dass alles genial simpel von Gott gestrickt ist.

Eine Welt, in der einzelne sagen „Me first“ oder „We first“ oder gar ganze Nationen, ist – so leid es mir tut – dem Untergang geweiht, weil damit die ersten 35 Verse der Bibel konterkariert werden. Die aktuelle Klimakonferenz in Madrid macht deutlich, dass es noch immer Leugnerinnen und Leugner gibt. Noch heute Morgen habe ich in der Zeitung den beklemmenden Satz gelesen:

„In Madrid lehnten es einige der größten Klimasünder der Welt ab, bereits jetzt höhere Ambitionen in Aussicht zu stellen.“

Dieser eine Satz macht deutlich, worum es geht: Um die Sünde und daher geht es um die tätige Buße, die tätige Umkehr.

Es ist genauso, wie gerade in Brüssel bei der EU geschehen, dass es noch immer Länder gibt, die Atomenergie für ungefährlich und nachhaltig halten und das offen in die Kameras sagen. Das mag auf interessante Weise nachhaltig sein, ist doch der entstehende Atommüll auf eine ganz besondere Weise nachhaltig, und zwar in der Weise, dass er in unserer menschlichen Vorstellung an die Ewigkeit grenzt. So weit, so schlecht.

Weil die Schöpfung erst durch die Erschaffung des Menschen sehr gut war, kann sie auch nur durch den Menschen wieder sehr gut werden.

Und wer Umkehrnachhilfe braucht, der muss einfach die Bibel als Ganzes lesen. Da steht alles drin, ob man es glauben möchte oder nicht.

Johannes der Täufer macht deutlich, dass Gott es noch einmal mit seinen Menschen versuchen will, denn Gott selbst hat noch nicht ganz die Hoffnung auf die Einsicht des von ihm geschaffenen Menschen aufgegeben. Und so schickt Gott als sein letztes Aufgebot und Angebot seinen eigenen Sohn, der als wahrer Gott und wahrer Mensch, dem Menschen ins Auge blickt. Und er kam – wen wundert’s – zu allen Menschen.

Also, lasst uns diesen Advent, der eine Bußzeit ist, zum Anlass nehmen, die Hoffnung, die Gott in uns gesetzt hat, nicht länger zu enttäuschen, sondern unser aller Leben in dieser Zeit auf den Prüfstand stellen.

Der radikale Ruf Johannes des Täufers zur Taufe der Buße, zur Umkehr, gilt auch heute – mehr als zweitausend Jahre später – noch immer und vor allem noch dringlicher denn je.

In diesem Sinne sage ich: Amen! So ist es.


Predigt am 3. Advent, den 15. Dezember 2019 über Lukas 3,(1–2)3–14(15–17)18(19–20) in der Johanneskirche in Partenkirchen