Pfr. Martin Dubberke

Sind wir bereit?

Liebe Mitmägde und Mitknechte!

Sie wundern sich über die ungewohnte Anrede? Sprechen wir einander nicht eher als Schwestern und Brüder an? Ja, stimmt. Aber heute mache ich das mal anders, um deutlich zu machen, was wir wirklich sind. Wir alle, wie wir hier sitzen, sind Mägde und Knechte ein und desselben Herrn, unseres Herrn.

Na, wie fühlt sich das so an, Magd oder Knecht zu sein? Ich könnte mir vorstellen, dass das erst einmal ein ungewohntes Gefühl ist. Also, für mich kann ich zugeben, dass es sich im ersten Moment komisch anfühlt. Ich bin bin doch eigentlich ganz selbstbewusst, treffe meine Entscheidungen, habe auch einen Chef, der gut mit mir umgeht. Nein, eigentlich fühle ich mich nicht als Knecht. Und kommen Sie, geben Sie es ruhig zu: Sie fühlen sich doch auch nicht wirklich als Knecht oder Magd. Und ich will hier jetzt nicht so einen Spruch hören, dass einen die eigene Ehefrau knechtet. Das gehört jetzt nicht hier hin.

Also, jeder von uns steht morgens auf, spricht vielleicht ein kurzes Gebet oder schaut in die Losungen, trinkt seinen Morgenkaffee und ist mit dem Kopf schon in seinem Job, weil er sich sagt: „Das darf ich nachher auf keinen Fall vergessen.“

Und vielleicht schießt für einen Moment das Gefühl durch den Kopf, sich in einer verdammten Tretmühle zu befinden oder von seinem Terminkalender geknechtet zu werden. Aber das sind dann höchstens Bilder. Keiner von uns – und da bin ich mir wirklich sicher – wacht morgens mit dem Gedanken oder Gefühl auf, ein Knecht des Herrn zu sein. Ja, Christ, aber Knecht? Das passt heute, wo wir Menschen so aktiv, so selbstbewusst und selbstbestimmt sind oder sein wollen, so maßlos unabhängig, nicht in unser Bild. Eigentlich fühlt sich jeder so ein wenig wie ein Herr. Doch, eigentlich gefällt uns das Gefühl, Herr zu sein, ganz gut. Auch als Christen, wenn wir den anderen sagen, wie wir die Welt sehen und wie wir dieses oder jenes verstehen. Knecht zu sein, scheint nicht in unsere Gesellschaft zu passen.

Und was ist das Ende vom Lied? Lauter Herren, die über andere Herren sein wollen.
Wissen Sie, woran mich das erinnert? An meine Kindheit: Wenn meine Eltern nicht zu Hause waren, wollte ich der Chef im Ring sein und meinem jüngeren Bruder erzählen, wo es langging. Der aber dachte sich das gleiche und schon hatten wir den schönsten Streit. Nebenbei gesagt, meine Söhne machen das heute genauso. Das muss irgendwie in uns drinstecken. Sie können mir hier mit Sicherheit die gleichen Geschichten erzählen.

Und so machen wir das als Schwestern und Brüder in Christo auch gerne. Und warum? Weil wir auf das Kommen Christi warten. Ich meine, wir warten immerhin seit rund zweitausend Jahren auf das Wieder-Kommen Christi. Wir haben uns an den Warte-Modus gewöhnt. Wir haben uns damit irgendwie arrangiert und fühlen uns in der Regel auch gar nicht so schlecht damit. Gut, es ist wie in jeder Warteschlange. Wenn es zu lange dauert, springen manche Ungeduldige ab. Wir sehen das ja an den schwindelerregenden Austrittszahlen, wie viele Ungeduldige es gibt. Aber es gibt immer noch welche, die sich neu oder erneut in die Warteschlange einreihen.

Aber was, wenn er plötzlich vor unserer Tür steht?

Lassen Sie mich Jesus zitieren, so wie es das Lukas-Evangelium (12, 40) überliefert hat:

„Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint.“

Also, sind wir bereit?

Und bei dieser Frage geht uns sofort eine lange Liste durch den Kopf, die wir noch nicht abgearbeitet haben. Das vielleicht dann nur noch mit so einer Situation zu vergleichen, wo die eigene Ehefrau ein paar Tage verreist ist und dann eine SMS schreibt: „Schatz, ich komme doch schon heute Abend nach Hause!“ Und statt sich zu freuen, macht sich Panik in uns breit, weil wir noch aufräumen müssen, einkaufen, Wäsche aufhängen, die Böden putzen und noch einen schönen Blumenstrauß kaufen müssen. Wir waren halt ein paar Tage sehr lässig und haben das auch genossen.

Also, sind wir wirklich bereit??

Ein paar Verse später (Lukas 12, 48) sagt Jesus dann – und das ist diese Woche auch der Wochenspruch:

„Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern.“

Das ist eine lange, eine sehr lange Liste. Uns ist vom Herrn viel, sehr viel gegeben worden und noch viel mehr anvertraut worden.

Und so entlasse ich ich uns in diesem Tag und diese Woche noch einmal mit der Frage: Liebe Schwestern und Brüder: Sind wir bereit???

Amen!