Pfr. Martin Dubberke

Lebe offen deinen Glauben!

Bei meiner Zeitungslektüre fiel heute morgen mein Blick auf das Bild einer bekannten Bank, an deren Fassade Greenpeace ein Transparent mit folgendem Satz gehängt hatte:

“Wäre die Welt eine Bank, hättet Ihr sie längst gerettet!” 

Greenpeace

Dieser Satz ging mir während meiner ganzen Predigtvorbereitung nicht mehr aus dem Kopf. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Verantwortung. Wem gegenüber habe ich eigentlich die eigentliche Verantwortung? Die Banken scheinen mir dabei ein wenig die Götzen, die goldenen Kälber der Gegenwart zu sein. Und ist damit die Bankenkrise nicht auch Ergebnis einer Vollbesitz-Habsucht, des Triebes Gott sein zu wollen, statt Gehorsam gegen Gott zu üben?

Gott hat uns seine Schöpfung, seinen Weinberg, sein Vermögen, seine Pfunde anvertraut. Doch was tun wir Menschen meistenteils damit? Viele, viel zu viele und oft auch solche, in verantwortlichen Positionen, wollen alles für sich alleine haben.

Und dann crasht so eine Bank und wirft wie beim Dominoday einen Stein, eine Bank, ein Unternehmen, einen Arbeitsplatz, eine Existenz nach der anderen um.  Der Egoismus vergiß die Gemeinschaft, das aufeinander angewiesen sein. Der Egoismus birgt in sich so nicht nur den Untergang der Gemeinschaft, sondern auch den eigenen.

Und dann steht da nun der kleine, einzelne Christenmensch und fragt sich, was er tun soll. Vielleicht betet er in seiner Verzweiflung und fragt sich wie Hiob, womit er das verdient habe. Er hat sich doch nie etwas zuschulden kommen lassen. Er war gehorsam im Glauben. Und je länger er auf dem Aschenhaufen seiner Existenz sitzt und mit Gott redet, wird in ihm die Erkenntnis reifen, daß jeder nur so stark ist wie das schwächste Glied. Und in unserer Gesellschaft gibt es viele schwache Glieder, die der Versuchung nachgeben. Glieder, die geistlich schwach sind, Glieder, die egal, ob sie glauben oder nicht, kein ethisch verantwortliches Fundament für ihr Leben in der Gemeinschaft haben.

Doch nun stellt er sich eine weitere Frage: Was kann ich tun?

Die Antwort ist einfach. Die Antwort klingt naiv und genau deshalb ist sie so gefährlich:

Bete offen für die Schwachen!

Lebe offen deinen Glauben!

Sage, wie der Glauben Deine Entscheidungen beeinflußt!

Weise deutlich darauf hin, wenn Entscheidungen und Handlungsweisen nicht im Einklang mit dem Doppelgebot der Liebe in Einklang zu bringen sind!

Und werde darin nicht müde!

Die Schöpfung, der Weinberg Gottes, gehört uns nämlich nicht. Wir sind hier auf Erden immer Pächter Gottes und schulden ihm seinen Pachtzins.

Markus 12,1-12

12 1 Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. 3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. 5 Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. 6 Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als Letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! 8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg.

Erst einmal soweit, liebe Gemeinde. Hier, an dieser Stelle endet das Gleichnis. Nach damaliger Rechtsprechung konnte der Weinbergbesitzer nach fünf Jahren seinen Pachtzins fordern. Es gab also genügend Zeit die Existenz, das Unternehmen aufzubauen und zu sichertn. Das ist fast wie eine nicht rückzahlbare Existenzgründungssubvention. Nach fünf Jahren aber hat der Besitzer Anspruch auf dreißig Prozent der Erträge.

Nun sind fünf zahlungsfreie Jahre, in denen der eigentliche Besitzer nicht auftaucht, auch etwas Verführerisches. man gewöhnt sich daran, alles in die eigene Tasche zu wirtschaften. Man fühlt sich mehr und mehr als der eigentliche Besitzer.

Bleiben die Zahlungen aus, wird der Besitzer, der mittlerweile zum Gläubiger avanciert ist, unruhig. Er hat ja einen großen Vertrauensvorschuß geleistet. Also mahnt er.

Der erste Mahner wird verprügelt. Der zweite Mahner wird schwer verletzt. Der dritte Mahner wird getötet und so geht es auch den vielen Mahnbescheidüberbringern, die der Weinbergbesitzer in der Folgezeit schicken wird.

Ich kenne das auch aus meinem Geschäftsleben. Da gibt es Kunden, die lassen sich weder durch die erste, noch die zweite, dritte oder vierte Mahnung beeindrucken. Die lassen sich auch nicht beeindrucken, wenn man mit dem Mahnbescheid, der Pfändung oder gar dem Haftbefehl vor der Tür steht.

Schließlich schickt der Weinbergbesitzer jemanden, der nicht nur mahnen, sondern auch einklagen kann, weil er als Sohn des Weinbergbesitzers volle Rechtsfähigkeit hat. Der Sohn hat die Vollmacht. Und damit beantwortet Jesus auch noch einmal den Schriftgelehrten und Hohenpriestern die Frage nach seiner Vollmacht.

Doch was passiert? Es ist wie in einem Krimi oder einer Intriganten-TV-Serie. Die Weingärtner kalkulieren mit dem Tod des Erben. Wenn der ausfällt, kann der Weingarten an sie fallen. So sah es das Recht vor. Herrenloses Land konnte in Besitz genommen werden. Also töten sie ihn und werfen ihn hinaus vor den Weinberg.

Interessant daran ist, daß das Ende des Sohnes nicht nur schmachvoll ist, sondern auch bleibt. Keine Rede von stellvertretendem Leiden. Keine Rede von Erhöhung. Im Mittelpunkt steht die Vollmacht des Sohnes. Im Mittelpunkt steht das immer dringlicher werdende Mahnen, Gott endlich zu geben, was man Gott schuldig ist. Im Mittelpunkt steht, Gottes Gegenwart und Willen nicht zu vergessen.

Die Knechte, die Mahner sind die Propheten, die Jesajas, Jeremias, Elias, Habakuks, Michas die verfolgt, geschlagen, getötet worden sind, weil Sie Gottes Mahnung überbracht haben, umzukehren. Sie alle sind Opfer der Umkehrverweigerung geworden. Die Angemahnten, haben es sich auf Ihrem Abweg gemütlich gemacht und bisweilen auch eine gewisse Arroganz entwickelt.  Ein menschlicher Charakterzug, den wir auch heute noch kennen. Wenn uns jemand etwas sagt, das nicht in unser Bild paßt, gewinnt er damit nicht unbedingt unsere Sympathien. Wer verläßt schon gerne einen eingeschlagenen Weg, der es ihm gemütlich macht, auch wenn es ein Abweg ist? Im besten Falle versuchen wir dem Mahner aus dem Weg zu gehen. Es gibt aber auch Menschen, die solche Mahner gerne aus dem Wege räumen. Nicht jeder verträgt nämlich die Wahrheit. Viele ermordete Journalisten zeugen davon.

Die Weingärtner vollenden in der Tötung des Sohnes ihren Widerstand, so wie die Führenden Israels in der Tötung Jesu ihren Ungehorsam gegen Gottes Handeln vollenden. (Walter Grundmann).

9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? 

Fragt Jesus die Schriftgelehrten und Hohenpriester. 

Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. 

Der Herr des Weinbergs macht damit deutlich, daß es nicht um Israel geht, sondern ausschließlich um die Pachtverweigerung der Pächter. Nicht Israel soll enteignet werden, sondern es wird einen Austausch der religiösen Führung geben, einen Wechsel in der religiösen Deutungshoheit. Also genau das, was sich durch das Leben, Handeln und Reden Jesu Christi schon längst angedeutet hat.

Auch wenn sein Rückhalt in der Bevölkerung groß ist, tritt er der religiösen Führung gehörig auf die Füße. Er trifft sie dabei so empfindlich, daß sie die Gefahr erkennen, die von Ihm ausgeht. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß ihnen zu diesem Zeitpunkt sogar dämmert, daß er wirklich über die Vollmacht verfügt. Aber sie verwerfen die Chance, die sich Ihnen damit bietet. Sie werden Ihn töten lassen.

Jesus weiß, was ihn erwarten wird und ruft Ihnen nun ein Psalmwort ins Gedächtnis:

10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«? 

Mit anderen Worten: Auch wenn Ihr mein vollmächtiges Wort verwerft. Auch wenn Ihr mich tötet, Ihr könnt Euch nicht auf Dauer Gott widersetzen und Ihm den Gehorsam schuldig bleiben. Es wird nichts am Verlauf ändern. Gott wird seinen Willen in der Welt wirken lassen.

Der Eckstein ist der Schlußstein in einem tragenden Bogen. Jesus ist dieser Schlußstein, Er ist derjenige, der das Neue tragfähig machen wird. Egal, was die Hohenpriester und Schriftgelehrten denken, reden, handeln werden. Jesus fordert seine Gegner damit regelrecht heraus: Es ist egal, was Ihr tut. Ihr seit mit Eurer Macht am Ende. Ihr könnt mich töten, aber Ihr könnt nicht dem Wirken Gottes entkommen. Mein Tod wird nichts an meiner Vollmacht und dem Plan Gottes verändern.

12 Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

Dieser Sonntag trägt den Namen “Reminiszere”. D.h.: Erinnere dich! Und verweist auf den Rahmenvers des Sonntagspsalms:

„Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind.“  (Psalm 25,6)

Erinnere Dich, daß Du ein Pächter Gottes bist!

Erinnere Dich, daß uns alles nur geliehen ist!

Erinnere Dich, Gott seinen Pachtzins zu geben.

Der Pachtzins lautet:

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen und von ganzem Gemüt. Das ist das höchste und größte Gebot.

Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten. (Matthäus 22, 37-40)

Amen.

Sonntag: Reminiszere 2009

PREDIGTORT: Silas-Kirche

Datum: 07.03.2009

PREDIGTTEXT: Markus 12, 1-12

PERIKOPENREIHE: I