Pfr. Martin Dubberke

Klug werden

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen,
auf dass wir klug werden.
Psalm 90,12

Der Prediger Salomo hat es mal ein wenig anders gesagt:

Ein jegliches hat seine Zeit,
und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit.
Prediger 3, 1-2

Wir wissen, dass sich unser Leben zwischen diesen beiden Polen abspielt, dem Geboren werden und dem Sterben. Dazwischen liegt das irdische Leben.

Der Wochenspruch aus dem Psalm 90, mahnt uns, diese Zeit zu nutzen, sie nicht einfach vergehen zu lassen, sondern sie auszukosten, auf dass wir klug sterben.

Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, ob es nicht egal ist, ob man nun dumm oder klug stirbt. Vorbei ist doch vorbei?

Nein, für uns Christen ist vorbei nicht vorbei. Unser Leben besteht aus einem irdischen und einem ewigen Leben. Das mag für viele Menschen – auch und insbesondere heute – kaum nachvollziehbar zu sein. Aber es ist nun einmal so.

Der liebe Gott hat uns unseren Leib nur geliehen. Für eine gewisse Zeit leben wir, und wenn alles gut geht, dann werden wir sogar sehr alt und sterben alt und lebenssatt. Und genau das ist der Moment, wo der Wochenspruch wieder zur Sprache kommt. Klug zu sterben, bedeutet, das Leben mit seinen Möglichkeiten erfasst zu haben. Das getan zu haben, was man in seinem Leben verantwortlicherweise zu tun hat. Das bedeutet nicht, jede Party mitgenommen zu haben, jede Liebelei mitgenommen zu haben und alles mal ausprobiert zu haben.

Das klingt jetzt sehr streng und lustfeindlich. Ist es aber nicht.

Es geht darum das eigene Leben ernst zu nehmen und es bewusst zu leben, dem nachzuspüren, was mein Job, mein Auftrag, meine Aufgabe in diesem Leben ist. Das kann z.B. das Vater- oder Muttersein sein, Menschen aufzuziehen und sie mit Liebe zu verantwortungsvollen Menschen heranwachsen zu lassen.

Es kann so vieles bedeuten. Und genau das ist die Aufgabe, die wir Menschen haben, das in unserem Leben herauszufinden. Nur, wenn ich das herausfinde und in meinem Leben klug werde – und das bedeutet nicht, dass ich lauter Einsen auf meinem Zeugnis haben muss – habe ich die Chance, lebenssatt zu sterben, loszulassen und von hier leichten Herzens zu Gott gehen zu können.

Klug zu werden ist aber auch keine Garantie, nicht doch einfach aus dem Leben herausgerissen zu werden, weil man plötzlich eine tödliche Krankheit hat oder durch einen Unfall oder einen Anschlag nicht an das innerlich erhoffte Lebensziel gelangen zu können.

Klug zu werden, bedeutet daher auch das Leben vom Ende her zu bedenken, zu wissen, dass es jeden Tag anders werden kann und so das Leben als das zu nehmen, was es ist, das größte Geschenk, das uns Gott gemacht hat.

Wir befinden uns in der Woche vom Totensonntag zum ersten Advent. In dieser Zeit erinnern wir uns an all diejenigen, die im Laufe des zurückliegenden Jahres gestorben sind. Wir erinnern uns an das gemeinsame Lachen, den gemeinsamen Ärger. Wir erinnern uns an den Stress, den man miteinander haben konnte. Wir erinnern uns an all die schönen Momente, das stille und zufriedene Lächeln in den Augen. Wir erinnern uns an viele kleine Geschichten und den einen oder anderen Satz, den uns der andere in unserem Leben mit auf den Weg gegeben hat.

Vielleicht sollten Sie heute Abend mal einen Moment innehalten, einen Stift und einen Zettel nehmen, um den Satz, die kleine Geschichte aufzuschreiben, die Sie mit dem Menschen verbinden, der in diesem Jahr gestorben ist.

Der Totensonntag heißt ja nicht umsonst auch Ewigkeitssonntag, weil wir nicht nur an die Toten denken, die Menschen, die uns vorausgegangen sind, sondern auch, weil wir uns daran erinnern wollen, dass der Glaube an Jesus Christus, uns vom Tod befreit hat.

Amen.

Andacht zum Ewigkeitssonntag 26. November 2017 für das Evangelische Seniorenzentrum „Will Kupas“ in Wittenberge.