Pfr. Martin Dubberke

Ganz großes Kino

Sie sitzen im Kino, halten vor sich eine Tüte Popcorn oder Chips mit Käsesoße. Der Werbeblock ist vorbei und der Vorhang gibt den Blick auf die große Breitbildleinwand frei. Sie sehen einen dunkelblauen Nachthimmel und hören die von John Williams komponierte Musik. Ein heller Lichtstrahl rast durch das Dunkel und die Stimme von Startrek-Captan Jean-Luc Picard sagt: „Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird.“ Und dann jagt ein zweiter Lichtstrahl durch den dunkelblauen Himmel und die Blechbläser von John Williams unterstreichen noch die Wirkung des Lichtstrahls. Ein Schauer hast ihnen über den Rücken. Und wieder spricht die sonore Stimme aus dem Off: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“

Und was tun Sie? Sie dippen noch einen Chip in die Käsesoße und sagen sich: „Yepp! Das wird ein toller Film.“

Schnitt. Szenenwechsel.

Sie sitzen heute Morgen vor Ihrem Rechner, den Sie gerade hochgefahren haben, blicken noch ein wenig verschlafen auf die Startseite vom SharePoint, die sich gerade vor Ihren Augen geöffnet hat. Sie lesen die Losung und den Lehrtext:

Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird. Jesaja 65,17

Jesus sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Matthäus 4,17

Glaube nicht, dass Sie sich dabei gedacht haben: „Das wird ein toller Tag!“

Obwohl, eine unter uns hat heute Morgen mit Sicherheit gesagt: „Das wird ein toller Tag.“ Oder, liebes Geburtstagskind? – Sie hat heute nämlich Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch und Gottes Segen von uns allen.

Aber kommen wir noch einmal zurück zu Losung und Lehrtext. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen so geht, aber ich stelle mir schon manchmal die Frage, warum der gleiche Text, nur unterschiedlich dargeboten, so unterschiedliche Wirkung erzielt. Wenn ich die Losung, so auf meinem Bildschirm lese, denke ich manchmal bei mir: Ja, sehr hübsch, aber was hat das mit mir zu tun? Und dann gibt es ja noch die Variante, vorgetragen mit warmer, sonorer, männlicher Stimme. Kann auch nett sein. Aber warum spricht uns in der Regel der gleiche Text mit entsprechendem Bild, Musik, Ton und Sound so gnadenlos emotional an, dass es uns einen Schauer über den Rücken jagt?

Die Antwort ist leicht, weil perfekt inszeniert, so dass alle unsere Sinne und Sehnsüchte angesprochen werden. Und ich glaube, dass heute Losung und Lehrtext auf all das nicht angewiesen sind, weil die beiden Texte so stark sind, dass jeder für sich das berühmte Kino im Kopf auslösen kann, weil sie mit den großen Sehnsüchten in unserem Leben verbunden sind.

Die Sehnsucht nach einer Welt, die besser ist als die Welt, in der wir leben, gibt es schon so lange, wie der Mensch denken kann. Der Blick auf die täglichen Bedrohungen, die Kriege, die familiären Gemeinheiten oder einfach die Sehnsucht nach dem verlorengegangenen Paradies steckt in jedem Menschen. Und jeder verbindet etwas anderes mit einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Für manche bedeutet das die Hoffnung nach dem Ende aller Zwänge. Für andere bedeutet es wieder Friede, Freude, Eierkuchen.

Ich glaube, ein Geburtstag ist auch so ein Tag, an dem man sich nicht nur feiern lässt, sondern auch mal in die Zukunft schaut und sich die Frage erlaubt: Wie stelle ich mir denn mein neues Lebensjahr vor? Was will ich denn alles anders oder neu machen?

Dazu gehört aber auch die andere Seite, mit der uns der Lehrtext aus dem Matthäus-Evangelium vertraut macht: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“

Gut, zu Matthäus‘ Zeiten glaubte man noch, dass das Reich Gottes jeden Moment anbrechen würde. Mittlerweile warten wir schon seit zweitausend Jahren darauf und manchen fehlte es an Ausdauer. Die sind einfach abgesprungen. Aber es hat sich nichts seit damals geändert. Angesichts der Ewigkeit ist das Himmelreich nahe und kann jeden Moment aufbrechen. Es könnte sein, dass wir morgen früh aufwachen, und das Himmelreich ist über uns hereingebrochen. Wir müssen jeden Moment damit rechnen, dass es geschehen könnte. Das bedeutet aber auch, dass wir dafür bereit sein müssen. Und das bedeutet: Buße zu tun. Und Buße zu tun, ist nicht der schnelle Wechsel vom Anzug zum Büßergewand oder der Wechsel vom Makeup zur Asche, sondern Buße bedeutet in diesem Zusammenhang Umkehr und die Reflektion meines Handelns. Wo habe ich Gott gegenüber Fehler gemacht? Und warum habe ich diese begangen? Buße ist die christliche Form der Fehlerkultur.

Werde ich mir meiner Fehler nicht bewusst, binden sie mich an das Alte und verschließen mir die Zukunft. Die Umkehr eröffnet mir die neuen Wege. Und nichts anderes meint Jesus, wenn er sagt: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Und das Versprechen Gottes aus Jesaja gilt noch immer: Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird.

Ein neuer Himmel und eine neue Erde. Das ist nicht mehr und nicht weniger als die Neuerschaffung der Welt, die die alte Welt vergessen machen soll.

Doch bevor es soweit ist – sagt Jesus – dass wir uns auch ein wenig runderneuern müssen und uns die Frage gefallen lassen müssen, wo wir Gott vergessen haben oder nicht dabei haben wollten, wo wir nur an uns, aber nicht an Gott gedacht haben.

Und was brauchen wir dafür, um dieser Frage nachzugehen? – Genau, eine Tasse Kaffee, mit der wir uns in eine Stille Ecke zum Gespräch mit Gott zurückziehen.

Wochen- und Geburtstagsandacht im LAFIM am 19. November 2014