Pfr. Martin Dubberke

Emmi Bonhoeffer – Zeugen im Auschwitzprozeß

Ich habe diese Woche bei uns im Bonhoeffer-Haus in der Bibliothek ein kleines Büchlein gefunden, das rein äußerlich ein wenig an die Insel-Bändchen erinnert. Die Autorin ist Emmi Bonhoeffer, die Witwe von Klaus Bonhoeffer, der wie sein jüngerer Bruder Dietrich im April 1945 hingerichtet worden ist. In diesem kleinen Buch – mit einem Vorwort von Helmut Gollwitzer – sind Briefe von Emmi Bonhoeffer an ihre Freundin Recha Jeszi veröffentlicht. In diesem Briefen erzählt sie von ihren Begegnungen, die sie als Zeugenbetreuerin beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main hatte.  

Es ist ein beeindruckendes kleines Buch, dessen Lektüre ich dringend allen empfehle. Es sollte zur Pflichtlektüre in Schulen werden, weil es einen nahen und klaren Blick aus der Perspektive einer Frau gibt, die diese Zeit erlebt hat, im Widerstand aktiv war, ihren Ehemann, ihren Bruder und zwei Schwäger verloren hat. Der Blick auf diesen Prozess ist auch von diesem Hintergrund geprägt. Als ich das Buch in die Hand nahm, wollte ich nur mal kurz reinlesen, weil ich gar nicht wusste, dass auch Emmi Bonhoeffer etwas veröffentlicht hatte. Ich legte das Buch nicht aus der Hand und las es in einem Zug. Emmi Bonhoeffer beschreibt viele berührende Momente aus den Gesprächen mit den Opfern, die nun Zeugen waren, und deren Ängsten und deren Blick auf die Zeit. Es ist beeindruckendes Zeitzeuginnendokument, das ein wichtiges Licht in das Deutschland jener Jahre wirft, in dem meine Generation geboren worden ist.

Immer wieder tauchen Bilder und Zitate auf, die hängen bleiben, wie z.B. auf Seite 46/47:

„Wenn ich mit Deutschen über SS-Prozesse spreche, kommen immer wieder dieselben langweiligen, banalen Hinweise auf die Greueltaten anderer Völker in die Debatte, auf Dresden, Hiroschima, die russischen Tscheka-Säuberungen, die dreißig Millionen Leben gekosten haben sollen… Ich kann dann immer nur antworten wie jener Rostocker Flüchtling, der zwei Jahre bei mir gewohnt hat: „Das mag ja alles ganz richtig sein; ich sage mir bloß immer: Der Schmutz von anderen kann doch niemals die Seife, die mich reinwäscht.“

Leider ist das Buch nur noch antiquarisch erhältlich. Doch der Blick ins Internet zeigt, dass man es in nahezu allen Internet-Antiquariaten erhalten kann.

Erschienen ist das Buch 1965 in der Buchreihe „Die Brücke“ im Johannes Kiefel Verlag in Wuppertal-Barmen.