Pfr. Martin Dubberke

Du

Eine typische Situation – ich weiß nicht, wie oft ich sie schon erlebt habe: Es steht eine Sitzung bevor, die mit einer Andacht beginnen soll. Also muss die Frage beantwortet werden, wer sie halten wird. Und wenn ich dann die Frage stelle, wer es machen wird, erhalte ich in aller Regel die gleiche Antwort: „Du!“ – Natürlich mit einem Ausrufezeichen gesprochen, dem festen Brustton der Überzeugung.

Und wie lautet dann immer meine Antwort: „Warum ich und nicht du?“

„Weil Du es studiert hast!“

Wie ich diese Antwort hasse. Dieses Totschlagargument, um sich vor einer Andacht zu drücken. Aber ich habe dann genauso eine Standardgegenfrage parat: „Du bist doch in der Kirche oder? Bist Du nicht getauft, konfirmiert? Bist Du nicht sogar im Gemeindekirchenrat?

Natürlich lautet die Antwort dann wie? Genau: „Ja.“ – Ohne Ausrufezeichen, ohne festen Brustton der Überzeugung, eher sich geschlagen gebend gehaucht.

„Na, und warum willst Du dann keine Andacht halten? Du kannst doch sagen woran Du glaubst oder was Dir ein Bibelvers erzählt oder in dir auslöst? Als Christ kannst du doch über deinen Glauben reden, oder? Also, warum willst Du nicht?“

„Weil ich mich nicht traue.“

So, und genau an dem Punkt sind wir beim Eigentlichen angekommen. Und wie schön passt da die Tageslosung aus Jeremia 1, 7:

Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.

Sie hören, auch Jeremia, der berühmte Jeremia, versuchte sich vorm Predigen zu drücken und führte tolle Argumente in die Diskussion ein:

Ach, HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.

Das klingt doch genauso wie das Argument vorhin: „Weil Du es studiert hast!“ Was ja nichts anderes heißt, als: „Ich bin unwissend.“

Gott akzeptiert Jeremias Argument nicht, sondern wischt es vom Tisch: „Sage nicht. „Ich bin zu jung.“ Und dann sagt er etwas ganz Entscheidendes: „Du sollst gehen, wohin ich dich sende und predigen alles, was ich dir gebiete.“

Der junge Jeremias bekommt seinen Predigtauftrag also direkt von Gott und dem kann man sich nicht entziehen.

Soweit so gut. Wirklich so gut?

Na, ich weiß nicht. Noch könnte der andere ins Feld führen: „Ich bin doch nicht Jeremias, sondern Matthias. Und im Gegensatz zu Jeremias, hat mich nicht der liebe Gott um eine Andacht gebeten, sondern Du.“

Merken Sie was? Der Andachts-Drückeberger ist rhetorisch sehr geschickt. Er hat die besten Voraussetzungen, um eine Andacht zu halten, auch, weil er zwischen göttlicher und menschlicher Beauftragung unterscheiden kann. Der menschlichen kann man sich noch irgendwie entziehen, der göttlichen nicht.

„Ja, aber Du glaubst doch an Gott, dann kannst Du doch auch etwas darüber erzählen?!?“ Versuche ich ihn noch mal aus der Reserve zu locken.

Und jetzt versucht er, mich theologisch auszutricksen: „Du kennst doch Paulus, oder?“

„Na klar“, antworte ich.

„Na, dann schau dir mal 1. Korinther 12, 4 an.“

„Mist“, denke ich – Bibelkunde war schon immer meine Schwachstelle. Aber in diesem Fall kann ich mich direkt einmal erinnern und antworte: „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist „ein“ Geist.“

„Siehste, und ich habe nun mal nicht die Gabe Andachten zu halten.“

„Aber den Geist“, kontere ich und da fällt mir doch glatt der Lehrtext von heute ein:

Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir. Apostelgeschichte 18,9-10″

Und da sagt mein Gegenüber: „Mistkerl, dagegen kann ich jetzt nicht mehr argumentieren.“

Leider ist’s im wahren Leben nicht immer so leicht, jemanden davon zu überzeugen, in der Öffentlichkeit und sei es nur in der Familie der Christenmenschen, über Gott und den eigenen Glauben zu sprechen. Aber Gott hat uns an so vielen Stellen deutlich gemacht, dass zum Glauben, nicht nur Vertrauen, Gebote, Wunder und Gnade gehören, sondern auch das Reden über den Glauben und damit auch das Weitergeben des Evangeliums. Und er hat uns auch deutlich gemacht, dass man sich dieser Einladung, diesem Wunsch kaum entziehen kann. Es gehört dazu – so wie das Amen. Und es gehört auch dazu, dass wir uns trauen und es wagen dürfen, weil er mit uns ist.

Amen.

Wochenandacht im LAFIM am 7. Juli 2016 über Losung und Lehrtext