Pfr. Martin Dubberke
Steine | Bild: Martin Dubberke

Die Macht meines Glaubens

Liebe Geschwister, noch klingt mir der Wochenspruch im Ohr:

Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.
Lukas 13,19

Es geht darum, dass die Menschen von überall in der Welt zu Jesus Christus, zu Gott kommen werden. Der Glaube an den Dreieinen Gott ist nicht mehr nur auf das kleine Israel begrenzt, sondern durch Jesus Christus hat sich die Perspektive gewissermaßen globalisiert.

Alle Augen der Welt sind auf diesen Jesus Christus konzentriert und sie schauen, was er wohl machen wird und macht.

Und genau davon erzählt die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum. Ein römischer Offizier, der an die römischen Götter, die römische Hierarchie und an die Macht seines Befehlswortes glaubt, aber nun an seine Grenzen gekommen ist, als sein Knecht gelähmt ist und große Qualen leidet. Weder seine Götter noch sein mächtiges Wort, mit dem er sonst alles regelt, Menschen in Bewegung setzt, wirken. Der Hauptmann erlebt seine eigenen Grenzen, seine Machtlosigkeit und insbesondere die Machtlosigkeit seiner Götter. Und so wagt er es, zu Jesus Christus zu gehen und ihn um die Heilung seines Knechtes zu bitten.

Das, was sich hier so einfach liest, war in der Wirklichkeit jeder Zeit etwas schier Unmögliches. Ein Besatzer geht zu einem Mann, den das Volk Rabbi nennt, der eine andere Religion hat und auch noch aus einem ganz anderen Volk stammt. Das war damals eine Grenze. Die beiden hat nichts miteinander verbunden, als dass sie sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufgehalten haben.

Natürlich wissen wir wie die Geschichte ausgeht. Sie kann auch gar nicht anders ausgehen. Er heilt den Knecht des Hauptmanns.

Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
Matthäus 8,13

Soweit die Geschichte. Ich weiß ja nicht, was Euch so durch den Kopf geht, wenn Ihr die Erzählung vom Hauptmann von Kapernaum hört oder lest.

Dieses Mal haben sich bei mir zwei Dimensionen eröffnet.

Die erste hat etwas mit der Glaubwürdigkeit von Kirche in aller Welt zu tun. Dass ich heute diese Perspektive in dem Text wahrnehme, hängt vielleicht mit den Ereignissen zusammen, die in dieser Woche Schlagzeilen gemacht haben. Nämlich das Missbrauchsgutachten aus München. Vier dicke, rot eingebundene Bände dokumentierten Missbrauchs und verlorenen Vertrauens.

So wie der Hauptmann von Kapernaum glaubt, dass Jesus seinem Knecht helfen kann, ihn heilen kann, so glauben die Menschen, dass die Kirchen ein Ort sind, von dem Heil ausgeht und eine Veränderung der Welt zum Guten.

Was sind die Folgen, wenn diese Sehnsucht, die alle Menschen haben, egal, ob sie zur Kirche gehören oder nicht, ob sie glauben oder nicht, enttäuscht werden? Was sind die Folgen, wenn wir als Kirche enttäuschen?

Ja, die Menschen folgen uns nicht mehr. Sie „entfolgen“ sich uns. Dieses Wort gibt es wirklich. Wenn ich jemandem auf Facebook oder Twitter oder einem anderen Forum der sozialen Medien nicht mehr folgen möchte, weil er etwas getan hat, was meinen Werten widerspricht, dann entfolge ich mich ihm. Und genau das tun die Menschen heute in Massen mit unseren Kirchen. Nicht nur wegen Missbrauchs und dem damit verbundenen Vertrauensverlust und Verlusts der Glaubwürdigkeit, sondern auch wegen der mangelnden Relevanz für ihr Leben.

Sie tun es, weil sie darin keine Relevanz für Ihr Leben mehr erkennen können. Sie tun es, weil der Glaube an Gott für sie keine existentielle Bedeutung mehr hat. Sie tun es, weil wir als Kirchen in ihren Augen unsere Glaubwürdigkeit verloren haben.

Sprich: Die Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum, die uns Matthäus überliefert hat, erzählt uns, was möglich ist, was geschehen kann, wenn wir glaubwürdig sind: Wir können Menschen erreichen, die nicht an unseren Gott glauben und dennoch zu uns kommen, weil sie glauben, dass wir etwas können, was andere nicht können.

Und damit komme ich zu der zweiten Dimension, die mir diese Geschichte dieses Mal eröffnet hat.

Wie schaut es denn mit unserem Glauben und vor allem dem ganz praktischen Umgang mit unserem Glauben aus?

Ich möchte Euch das an einer kleinen Begegnung verdeutlichen, die ich dieser Tage hatte. Ich traf beim Einkaufen jemanden, den ich hier in Garmisch-Partenkirchen schon von meinem ersten Tag an kenne. Wir kamen, wie das so ist, wenn man sich begegnet, miteinander über die Frage „Wie geht es Dir“ ins Gespräch. Und mir schüttete der Mensch auf offener Straße sein Herz aus und erzählte mir, was ihn gerade so alles Quälen würde und mit einem Male fiel das Wort Satan, das satanische Mächte diesen Menschen quälen würden.

Was wäre denn Euer erster und spontaner Gedanke, wenn Euch das jemand so offen und unumwunden auf offener Straße erzählen würde.

Wahrscheinlich ginge es Euch wie mir, dass Ihr erst einmal ganz professionell denken würdet, dass der Mensch psychotherapeutische Hilfe bräuchte.

Und so fragte ich den anderen, ob er denn psychologische Unterstützung hätte. Die Antwort auf diese Frage fiel – ich muss es gestehen – überraschend anders aus: „Kannst Du für mich beten?“

Die Antwort auf meine Frage war eine bittende Frage. Im ersten Moment war ich überrascht und für den Bruchteil einer Sekunde sprach- und ratlos. Ich hatte nicht an das Selbstverständlichste eines Christenmenschen gedacht: Das Gebet.

In aller Öffentlichkeit legte ich meine rechte Hand auf die Schulter dieses Menschen und betete für ihn mitten auf der Straße. Und ich spürte in meiner Hand, dass sich etwas bei meinem Gegenüber veränderte. Der Mensch wurde ruhiger und ich spürte, wie ein Teil seiner Anspannung von ihm fiel. Ich spürte, wie ihm das spontane Gebet mit im Gewusel und Gewimmel der einkaufenden Menschen gut getan hat.

Ich habe da mit Sicherheit keinen Satan ausgetrieben und ich habe in diesem Moment auch niemanden geheilt, aber ich habe bei einem anderen Menschen und dadurch auch bei mir selbst, die Kraft, die in einem Gebet stecken kann, wahrhaftig erlebt.

Soweit erst einmal. Und was will uns das am Ende meiner Predigt sagen? Genau: Wir können verdammt viel von diesem Hauptmann lernen: Nämlich selbst über unseren Schatten zu springen, auch wenn es uns im ersten Moment komisch erscheinen mag, auf offener Straße mit und für jemanden zu beten.  Aber das hat Jesus auch getan. Er hat dafür kein Haus Gottes um sich herum gebraucht.

Und wir können noch etwas von diesem Hauptmann lernen: Mehr und vielleicht sogar zuerst auf die Kraft und die Möglichkeiten unseres Glaubens zu vertrauen, mehr zu beten und zu handeln als nur zu reden, wie wir Kirche der Zukunft sein könnten. Dafür gibt es – nebenbei gesagt – ein wunderbares Wort: Gottvertrauen. Lasst uns wieder und mehr Gott vertrauen. Amen.

Pfr. Martin Dubberke
Pfarrer Martin Dubberke

Pfr. Martin Dubberke, Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias am 23. Januar 2022 über Matthäus 8, 5-13 „Der Hauptmann von Kapernaum“ in der Johanneskirche zu Partenkirchen

 

 

 

Wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen wollen oder mit mir ins Gespräch kommen möchten oder ein Feedback zu meiner Predigt geben wollen, schreiben Sie mir bitte einfach eine kurze Nachricht.