Pfr. Martin Dubberke
Impuls zu Losung und Lehrtext am Sonntag 20230129 | Bild: Martin Dubberke

Der Berg in mir

Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Wochenspruch aus Jesaja 60,2b

Herr, Gott Zebaoth, tröste uns wieder; lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen.
Psalm 80,20

Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen; er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt. Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind.
Lukas 1,78-79

Christoph Blumhardt hat einmal geschrieben:

Du kennst, was vor uns liegt. Du kennst die Berge, die noch versetzt werden müssen. Du weißt das Widerwärtige, das uns müde machen will. Und du wirst lösen, und endlich wird in alle Finsternis hinein dein Licht leuchten.

Ja, so ist das Leben, in dem wir leben. Da gibt es noch eine ganze Menge Berge, die versetzt werden müssen. Mein Schreibtisch, an dem ich morgens sitze, steht vor dem Fenster, von dem aus ich einen wunderbaren Blick auf das Wettersteingebirge habe. Die Berge liegen noch im Morgennebel und die Sonne strahlt hell in diesen Nebel hinein, so dass das Wettergebirge nur in seinen Konturen erkennbar ist. Ich liebe diesen Blick. Und der Blick ist jeden Morgen und jeden Tag neu und anders. Es ist nie der gleiche Blick auf die Berge. Und wenn die Sonne so wie heute strahlt und wenn ich dann noch ein wenig weiter nach links schaue, dann sehe ich direkt in die Sonne und muss meine Augen schließen, meinen Blick abwenden, weil es so hell ist. Und schon muss ich an den Wochenspruch denken:

Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Wochenspruch aus Jesaja 60,2b

So muss es sich anfühlen, wenn seine Herrlichkeit über einem erscheint. Hell, freundlich, die Konturen des Lebens schärfend. Und sie ist so hell, dass man ihm nicht ins Angesicht sehen kann, weil man es nicht aushalten würde. Ja, so kann ich es auch an vielen Stellen im Alten Testament lesen.

Die alten Bilder funktionieren und wirken auch noch heute. In seinem Licht zu sehen, bedeutet, auch in seinem Licht die Welt zu erkennen und zu durchschauen.

Und schon bin ich wieder bei den Bergen, die noch versetzt werden müssen. Ganz ehrlich, wenn ich mir so das Wettersteingebirge anschaue, habe ich das Gefühl, dass man Berge nicht versetzen kann. Ich erstarre eher in Ehrfurcht und Demut vor diesen Bergen. Aber es stimmt, es gilt viele Berge in unserem Leben zu versetzen, damit wir leben können, damit wir Frieden haben, damit wir Freiheit haben.

Und die Berge, die sich uns zeigen, die versetzt werden müssen, sind auch zugleich Sinnbild unserer eigenen Widerstände. Es ist nicht einfach gegen die eigenen Widerstände anzukämpfen. Die meisten Berge sind nämlich in uns. Wenn wir die großen Berge da draußen versetzen wollen, müssen wir erst einmal die Berge in uns versetzen. Die Berge, die uns die anderen vom Leibe halten sollen. Die Berge, die unseren Blick verengen, die uns Sicherheit geben. Ja, so ein Berg kann meinen Blick zum Himmel, also zu Gott lenken, und dann spüre ich die Ehrfurcht und die Demut, weil so ein Berg einfach auch eine gefährliche Herausforderung ist, der ich mich nicht leichtsinnig mit Turnschuhen nähern kann. Aber zugleich schützt mich ja auch so ein Berg, weil die, die auf der anderen Seite des Berges leben, mich nicht so leicht erreichen können, sie mich also auch in Ruhe lassen.

Will ich einen Berg versetzten, muss ich aufbrechen, muss ich den Berg studieren, um ihn bezwingen zu können, muss mich meinen eigenen Ängsten stellen und die Gefahren, die sich mir in den Weg stellen könnten im Vorfeld analysieren, um mich entsprechend wappnen zu können.

Ja, ich muss anfangen, die Berge in mir zu versetzen. Und damit stellt sich auch immer die Frage nach meinen eigenen Ängsten und daraus erwachsenden Vorurteilen.

Und ja, das Ankämpfen gegen das Widerwärtige in mir selbst und auch in der Welt – und jeder weiß, was damit gerade alles gemeint ist – macht müde, genau so müde, wie das Erklimmen eines Berges. Es kostet mich Kraft, auch Kraft, die ich manchmal gerade nicht habe.

Und genau an dieser Stelle kommt die Losung des Tages ins Spiel:

Herr, Gott Zebaoth, tröste uns wieder; lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen.
Psalm 80,20

Wer mich tröstet, gibt mir wieder Kraft. Und genau das tut Gott. Wenn er sein Antlitz leuchten lässt, ist mir, ist uns geholfen. Wie war das noch einmal mit der Sonne? Jeder von uns, der mal auf einer Bank sitzend oder auf dem Gipfel eines Berges, sein Gesicht mit geschlossenen Augen in die Sonne gehalten hat, konnte spüren, welche Kraft, welches Wohlgefühl auf einmal in einem aufsteigt. Und genau so fühlt es sich an, wenn Gott sein Antlitz leuchten lässt. Und er lässt es – wie heute Morgen – in und mit der Sonne leuchten.

Und jetzt kommt der eigentliche Clou an der ganzen Sache mit unserem Glauben. Das, was wir heute mit dem Lehrtext aus dem Lukas-Evangelium für unser Leben lernen dürfen:

Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen; er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt. Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind.
Lukas 1,78-79

Nachdem wir erfahren haben, welche Energie uns das Antlitz Gottes schenken kann, dürfen im gleichen Maße auch die Liebe und das Erbarmen Gottes spüren. Er hat uns seinen Sohn als Retter geschickt. Jesus Christus hat uns von den alten Fesseln unserer Ängste und Unsicherheiten, unserer Verstrickungen in Vorurteilen und der Sünde des Egoismus befreit, indem er uns das Geschenk der Nächstenliebe gemacht hat.

Er ist uns geschickt, wie das Licht, das wie die Sonne von oben kommt und uns allen leuchtet, auch denen, die noch im Dunkeln sind, weil sie sich nicht ins Licht trauen oder, weil sie dem Licht nicht trauen.

Dieses Licht, ist die Liebe und das Erbarmen. Die Liebe und das Erbarmen beendeten aber die Mächte des Bösen, weil es das Böse, die Finsternis in der Welt offenbar macht und damit den Berg, den wir in uns und in dieser Welt versetzen müssen. Aber weil Gott voller Liebe und Erbarmen ist, kann uns das gelingen, wenn wir dem Licht folgen.

Pfr. Martin Dubberke, Gedanken zu Losung und Lehrtext vom 29. Januar 2023

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