Pfr. Martin Dubberke

Den sollt ihr hören

1Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.4 Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.
7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!

Als ich mir am Montag zum ersten Mal den Predigttext für heute durchlas, dacht ich nur: Ach, du meine Güte, dazu fällt Dir gar nichts ein. Mose, Elia, Verklärung, drei Hütten, das Messiasgeheimnis und „Dies ist mein lieber Sohn“. An der Stelle dachte ich noch: Naja, eine kleine Verbindung zu meiner Taufpredigt vor vier Wochen. Wie sich doch der Kreis schließt.

Wie sich doch der Kreis schließt? – Vielleicht ließe sich ja daraus etwas machen. Das öffentliche Bekenntnis Gottes zu seinem Sohn bei der Taufe am Jordan und hier nun die heilsgeschichtliche Einordnung Jesu in eine Reihe mit Mose und Elia. Also so eine zusätzliche Adelung. Aber warum dann die Sache mi9t dem Geheimnis. Sagt es erst den Leuten, wenn ich von den Toten auferstanden bin. Nein, das hat er nicht gesagt. Er hat von sich ja in der dritten Person gesprochen: „Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.“

Ich habe mich schon im Studium immer mit diesem sogenannten Messiasgeheimnis schwer getan. Es konnte mir nie so recht verständlich werden, weshalb man es nicht so einfach in die Welt hinaus sagen durfte, daß Jesus der Messias ist. Das hörte sich für mich immer so ein bisschen nach heilsgschichtlicher Dramaturgie an, um die Sache möglichst spannend zu machen. Irgendwie empfand ich das immer als eine Art Kopfgeburt.

Aber warum soll der Mensch glauben, daß irgendein Mensch der Messias sein soll, nur weil er Gutes tut, die Gralshüter der Religion, die glauben, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, kritisiert und das Gesetz historisch-kritisch auslegt und auf seine Intention und nicht den Wortlaut zurückführt?

Laßt uns ehrlich sein. Wenn jetzt jemand aus unserer Mitte aufstünde und erzählte, ihm wäre Jesus oder Gott, Elia oder Mose begegnet, in einer Wolke, auf einem Berge, den würden wir, obwohl wir an Gott glauben, für einen Spinner halten, der in die Klapse gehört. Wir würden diesen Menschen nicht mehr ernst nehmen, würden offen oder hinter vorgehaltener Hand über diesen Menschen schmunzeln.

Und wer soll das schon verstehen, daß da die drei Männer, Petrus, Jakobus und Johannes auf einem Berg, in den Wolken all das gesehen haben? Nein, gebt zu, auch wir hätten es nicht geglaubt. Selbst, wenn wir zu den Jüngern Jesu gehört hätten.

Und es stellt sich doch die Frage, warum es uns so schwer fallen würde, selbst und vor allem heute? Wir Menschen sind so angelegt, daß es in uns eine starke realistische Seite und eine heftige oder auch zaghafte Hoffnungs- oder Traumseite gibt. Die realistische Seite ist logisch, klar, analytisch, ja fast technisch. Dien zählt die Fakten zusammen und bildet sich ein Urteil, das sagt: Es wird Krieg mit dem Irak geben. Anfang März wird es losgehen.

Die Hoffnungsseite, hofft darauf, daß doch noch ein Wunder geschieht, daß es nicht zu dem Krieg kommt, auch wenn die realistische Seit noch so oft sagt, daß der Krieg eine unausweichliche Sache ist.

Die logische Hälfte sagt: Es gibt keinen Gott. Die Hoffnungsseite sagt: Man kann ja nie wissen.

Im tiefsten Innern – davon bin ich fest überzeugt – hofft jeder Mensch auf eine göttliche Macht und auf Wunder. Aber wenn sie dann geschehen, dann kann er es nicht glauben.

Ich glaube, daß auch Jesus das bewußt gewesen ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß jemand glaubt, daß er der Menschensohn ist, wird größer, wenn mehr als drei Zeugen aus seinem engsten Kreis es erfahren haben. Die Wahrscheinlichkeit wird größer, wenn das wirklich Unwahrscheinliche geschehen ist, nämlich seine Auferstehung von den Toten. Das ist ein Fakt, den man dann nicht so einfach wegerklären kann. Da gibt es dann mehr als genug Zeugen.

Aber viel wichtiger als das scheint mir der Satz Gottes aus der Wolke: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“

Wichtiger als das Sehen und das Glauben ist das Hören. Wir hören, was Politiker sagen und analysieren es. Wir hören, was Arbeitgeber sagen und analysieren es. Wir hören, was Gewerkschaftler sagen und analysieren es. Wir hören, was wir untereinander sagen und analysieren es. Die Menschheit hört aber nicht mehr auf das, was Jesus gesagt hat und analysiert es. Ganz im Gegenteil, die Menschheit missbraucht, was Jesus gesagt hat. Sie zieht mit dem Namen Gottes im Eid in die Schlacht.

Die Menschheit – und damit meine ich nun nicht nur die Politiker und nicht nur jenen George Walker Bush, sondern jeden einzelnen – muß vielleicht nicht zuerst an Gott oder Jesus glauben, aber sie sollte zuerst auf ihn hören und danach handeln. Dann würde sie auch glauben.

Amen.

Letzter Sonntag nach Epiphanias | 8. Februar 2003 | Predigttext: Matthäus 17, 1-9 | Perikopenreihe: I