Pfr. Martin Dubberke

Bleibt in meiner Liebe

Wo ist die Liebe geblieben? Ist Jesus etwa gescheitert? Nein, gescheitert ist Jesus nicht, denn er hat in seiner Rede zum Gebot der Liebe im Johannesevangelium eine salvatorische Klausel eingebaut, was rhetorisch sehr hellsichtig war:

„Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich meines Vaters Gebote gehalten habe und bleibe in seiner Liebe. Das habe ich euch gesagt, auf dass meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde.“ (Johannes 15,10-11)

Denn, wenn ich mir so diese Welt anschaue, die Nachrichten lese oder im Fernsehen sehe, dann läuft es mir immer öfter kalt den Rücken runter. Was gerade an der Grenze zwischen Belarus und Polen geschieht ist menschenverachtend. Menschen werden als Waffe, als moralische Waffe eingesetzt. Es werden Bilder produziert und in alle Welt gesandt, die Druck gegen die eine oder andere Seite an der Grenze erzeugen sollen. Es geht am Ende gar nicht mehr um diese Menschen, sondern nur um die Bilder, die Stimmung machen sollen. Aber sind diese Bilder nicht zugleich auch der Beleg dafür, dass wir in einer Zeit leben, die davon geprägt ist, nicht in seiner Liebe geblieben zu sein?

Und so geht mir das an vielen anderen Stellen in diesen Tagen. Z.B., wenn es um das Absenken von CO2 durch die Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe geht. Das ist richtig, wichtig und muss so sein. Aber was bedeutet das für die Länder, die vom Erdöl leben? Welche neuen Krisenherde können da entstehen? Wie sind wir da in der Pflicht? Oder das Thema Missbrauch auf der EKD-Synode. Der Betroffenheitsbeirat zeigt alle Anzeichen des Scheiterns. Das ehemalige Mitglied dieses Beirats, Nancy Janz, sagt, dass, der Evangelischen Kirche in der Sache eine klare Haltung, Konsens und Handlungswille fehle.

Gestern lese ich ein Interview mit Ken Follett, der sagt, dass ein Dritter Weltkrieg sehr realistisch sei und dabei die Klimakrise ins Feld führt. Gut, der Mann ist Schriftsteller, aber ich habe auch ein Interview mit dem französischen Geopolitik-Experten François Heisbourg gelesen, der sagt, dass wir uns kaum wahrnehmbar vom Nicht-Krieg in einen Beinahe-Krieg und schließlich in den Beginn eines Krieges bewegen würden. Auf die Frage nach dem Grund führt er das Fehlen einer Weltordnung an.

Scheltet mich einen frommen Narren, aber hat uns Jesus nicht eine Weltordnung gegeben? – „Bleibt in meiner Liebe!“ (Johannes 15,9b) Was ist das anderes als eine Weltordnung? Vor uns liegt der Buß- und Bettag. Das ist eine Einladung an uns alle, im Gespräch mit Gott, zu erkennen, wann, wo und warum wir nicht in seiner Liebe geblieben sind und wie wir wieder in dieser Liebe bleiben können. Es gab einen guten Grund, weshalb das mal ein Feiertag für alle war, weil das Bleiben in der Liebe – wie wir aus diesen Nachrichten erkennen können – alle betrifft.

Ihr/Euer

Pfr. Martin Dubberke

 

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