Pfr. Martin Dubberke

Achtsamkeitsbudget

Gerade dieser Tage habe ich von einer Krankenkasse Informationsmaterial zum Thema Achtsamkeitsbudget bekommen. Da war so eine kleine Pyramide zum Selberbasteln drin, die ich mir auf den Schreibtisch stellen konnte, um immer daran erinnert zu werden, dass ich auf mich achten soll. Dieses Achtsamkeitsbudget bestand aus drei Modulen. Eines davon war Stressbewältigung und Prävention. Also, Yoga, Entspannungsübungen, und vieles andere mehr.
Braucht man das? Naja, man braucht schon Entspannung. Immerhin haben wir alle Jobs, die nicht ganz ohne sind. Da brauchen wir einen Ausgleich. Da brauchen wir Achtsamkeit. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie fühle ich mich da an Jürgen Fliege erinnert, der am Ende seiner Sendung immer gesagt hat: „Und passen Sie auf sich auf!“ – Da habe ich mich jedes Mal drüber aufgeregt, weil ich jedes Mal dachte: Wie kann ein Pfarrer so einen Satz sagen? Es ist doch eigentlich Gott, der auf uns aufpassen möge.

Achtsamkeitkeitsbudget – Und was mache ich, wenn mein Budget aufgebraucht ist? Diese kleine dreiseitige Pyramide, die mir die Krankenkasse in den Briefumschlag gepackt hat und, die mich irgendwie an die alten Sunkist-Tetraeder-Packungen erinnert, hat viel Himmel und schöne Schäfchenwolken, Sonne und gute Laune. Ein gelungenes Werbemittel, das ich so auf meinen Schreibtisch stelle und für einen Moment anschaue, bevor ich es in die Rundablage lege.

Und ich denke so bei mir: Was macht Dir eigentlich Stress? – Wenn ich nicht loslassen kann, wenn ich unter Zeitdruck gerate, wenn ich keine Lösung finde, keine gute Idee habe, meine Gedanken im Kreise drehen, wenn ich verkrampfe, weil ich mich ärgere und dann unachtsam werde – mir selbst gegenüber, anderen gegenüber, weil ich nicht gut für mich gesorgt habe, weil ich mich habe unter Druck setzen lassen, weil ich mich von der Aufgabe habe gefangen nehmen lassen… Gefangen – das ist ein schönes Stichwort. Was nimmt mich gefangen? Und warum nimmt es mich gefangen? Weil ich vielleicht nicht achtsam war? Warum war ich nicht achtsam? Weil ich mich habe verführen lassen?

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr reift in mir die Erkenntnis, dass ich das Achtsamkeitsbudget erst in Anspruch nehme, wenn ich zu lange unachtsam war, also wenn es eigentlich schon zu spät ist, wenn ich schon zuschanden gehe oder gegangen bin.

So vorgeglüht, lese ich die Losung für heute:

In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott.
Psalm 31,6

Da sitze ich nun: Auf der einen Seite das Angebot der Krankenkasse und auf der anderen Seite das Angebot Gottes.

Ich schaue mir die Losung an und atme innerlich auf. Der Vers lädt mich geradezu ein, mich fallen zu lassen, meine Gedanken weiten sich. Es ist, als stünde ich am Meer und blickte in den endlosen Horizont, der immer das Gefühl von Ewigkeit vermittelt. Es tritt ein ähnlicher Effekt ein wie beim Betrachten der Werbepyramide der Krankenkasse: Leichtigkeit, gute Laune, ein Lächeln.

Doch zwischen beiden gibt es einen großen Unterschied: Das eine ist geschickte Werbestrategie und das andere ist Gott pur. Keine Werbung, sondern ein reales Versprechen.

Bei der Versicherung muss ich einen Vertrag machen, bei Gott befehle ich meinen Geist in seine Hände. Das ist mehr als einen Vertrag zu unterschreiben und monatlich einen Beitrag zu zahlen. Ich befehle meinen Geist in seine Hände, bedeutet, sich Gott anzuvertrauen, mit ihm zu sprechen, ihm mein Herz auszuschütten. Es bedeutet aber auch, sich an seinen Geboten zu orientieren und diese haben Achtsamkeit zu folge. Seinen Geist in Gottes Hände zu legen, heißt frei im Kopf, im Geist zu werden, offen zu werden. Seinen Geist in Gottes Hände zu legen, heißt auch, sich mit Gott zu beraten und mit ihm nach Lösungen zu suchen. Das bedeutet aber auch, sich die Zeit dafür zu nehmen und das kann z.B. die berühmte Tasse Kaffee sein, auf die mich mit Gott verabrede.

Und mal ganz nebenbei gesagt: Wer sich die Zeit für Yoga nimmt, kann sich auch die Zeit für ein Gebet nehmen…

Und die enden mit: Amen! – Sprich: So sei es!

 

Andacht im LAFIM über die Losung am 5. November 2015